So, es wird wieder Zeit für einen neuen Beitrag. Der längere Abstand zum letzten Artikel war nicht unbedingt geplant, aber die derzeitigen Redakteure haben eben nicht immer die nötige Zeit bzw. die Inspiration. Ein Grund mehr für alle Leser, sich selber aktiver zu beteiligen und vielleicht sogar selber einen Beitrag zu verfassen. Ihr habt doch bestimmt auch etwas zu zeigen!
Ich möchte heute das Thema Fernschach anschneiden, was vielleicht sogar der Start zu einer kleinen Serie werden könnte. Über Fernschach kursieren nämlich leider jede Menge Vorurteile (meistens gestreut von Leuten, die es noch nie gespielt haben), mit denen ich gerne aufräumen möchte.
Eines der Vorurteile lautet, dass Fernpartien fürchterlich lange dauern, oft mehrere Jahre. Dies war früher tatsächlich oft so, als noch mit der guten alten Postkarte gespielt wurde. In manchen Ländern war die Post extrem langsam, so dass man wirklich viel Geduld brauchte. Russland bzw. die Sowjetunion war z.B. ziemlich gefürchtet. Wenn der Gegner da irgendwo in der Provinz wohnte, musste man für jede Karte mehrere Wochen einplanen. So kam es auch zu der witzigen Anekdote, die das Fernschach zum ersten und einzigen Mal so richtig in den Fokus der Öffentlichkeit brachte:
Bei der 1987 gestarteten Olympiade nahm natürlich auch die DDR teil, damals eine der bedeutendsten Fernschach-Nationen (die Schachspieler durften ja nicht raus, also spielten sie halt per Post). Ein paar Jahre später kam es bekanntlich zur deutschen Wiedervereinigung, aber das Turnier war noch längst nicht zu Ende, also spielte man unbeirrt weiter. Es zog sich und zog sich…, bis im Jahre 1995 die DDR als Bronzemedaillen-Gewinner feststand! Zur feierlichen Siegerehrung erschienen Funk und Fernsehen, man spielte die DDR-Hymne, hisste die alten Flaggen und es war eine Mords-Gaudi.
Heutzutage ist alles ein bisschen anders. Ein paar Postturniere für Nostalgiker gibt es zwar immer noch, aber ganz überwiegend wird per E-Mail oder noch bequemer per Server gespielt. Die Züge kommen also praktisch ohne jede Unterbrechung an. Dazu kommt, dass in den meisten Turnieren die Computernutzung erlaubt ist (das wird noch ein eigenes Thema), so dass man in vielen Fällen schneller zu einer Entscheidung kommt. Die übliche Bedenkzeit von 40 (national) bzw. 50 (international) Tagen für 10 Züge wird oft gar nicht ausgeschöpft. Viele Partien sind daher schon nach ein paar Monaten beendet, es kann auch mal ein Jahr dauern, aber viel mehr wird es normalerweise nicht.
Da manchen Leuten dies immer noch zu lang ist, gibt es auch Turniere mit kürzerer Bedenkzeit. Dazu gehört der “Rucki-Zucki-Pokal”, den der Deutsche Fernschachbund zur Zeit veranstaltet. Hier beträgt die Bedenkzeit 100 Tage für die ganze Partie (wobei die Zeit nicht sofort läuft, aber das führt jetzt zu weit). Ungefähr 120 Spieler traten an und mussten zunächst Vorrunden-, dann Zwischenrundengruppen überstehen. Für die Finalrunde bleiben noch neun kleine Negerlein übrig, und dazu gehört (taraa!) der Autor dieser Zeilen (ja, jetzt entpuppt sich der Sinn des ganzen Artikels).
Diese großartige Leistung wurde natürlich mit nicht weniger begeisterndem Spiel erreicht. Das Diagramm zeigt den vielleicht spektakulärsten Moment (MS – Heiko Krauß aus der Zwischenrunde):
Weiß hat sich schon einigen Vorteil erarbeitet, aber es droht 44…Tb5 und der weiße König steht auch nicht ganz sicher. Eine zwingende Fortsetzung wäre also schön… Lösung auf der nächsten Seite!
Hm, ich habe mir De7 überlegt – war die aber wohl nicht zwingend genug, oder?
Wieso hat sich dein Gegner überhaupt darauf eingelassen – stand er davor schon so schlecht? Den ein Computer müsste diesen Zug doch recht schnell anzeigen.
44.De7 ist schon zwingend, nämlich zwingend verloren 🙂
44…Te5! nebst 45…Te2 und plötzlich gewinnt Schwarz.
Ich denke schon, dass mein Gegner das Unheil hat kommen sehen, aber er konnte es schlecht verhindern, weil immer etwas gedroht hat.