7/9 – Ex-Präsident macht Malta unsicher!

13.-19.11.2016: 6. Malta-Open in Sliema

Eigentlich ging es mir ja vor allem darum, mich in wärmeren Gefilden zu entspannen, so dass ich möglichst weit in den europäischen Süden reiste. Ein bisschen Schach in den Abendstunden war eher als Beiwerk und Zeitvertreib gedacht. Mein schachlicher Arbeitsnachweis im Jahr 2016 belief sich auf 0/3 in der Verbandsliga und absolut null Training, weil ich nach der Arbeit in der Regel einfach keine Lust mehr darauf habe. Was konnte ich unter solchen Umständen schon erwarten? Tja, ausgerechnet in dieser Situation spielte ich (zugegebenermaßen gegen nicht übermächtige Konkurrenz) ungewöhnlich erfolgreich und kam bei einem internationalen Open mit 7/9 in die Preisränge. Schon verrückt, wie das Leben manchmal spielt.

Die Rede ist von der sechsten Auflage des Malta-Opens, das seit 2011 von der deutschen Firma ChessOrg organisiert wird. Gespielt wurde in Sliema, nicht weit von der Hauptstadt Valletta (auf der anderen Seite einer Meeresbucht). Wobei „nicht weit“ für die Malteser eine Selbstverständlichkeit ist, denn der rund 100 km südlich von Sizilien gelegene Inselstaat ist mit 316 km² (Hauptinsel: 246 km²) unglaublich klein. Das für meine Begriffe schon winzige Luxemburg ist achtmal so groß!

Ich reiste am Tag vor Turnierbeginn an und musste mich erst einmal an die Temperaturen gewöhnen. Ich hatte mit einer angenehmen Wärme gerechnet, aber es war tatsächlich richtig heiß! Knapp 30 Grad dürften es gewesen sein, und das Mitte November! Ich riss mir erst einmal alle Kleider vom Leib und lief dann im T-Shirt herum. Nach Sonnenuntergang wurde es allerdings deutlich kühler, so dass auch meine Pullover nicht ganz überflüssig waren. Die letzten Tage war es dann regnerisch, was zwar nicht die Touristen freute, aber die Malteser, da die Wasserknappheit für sie ein ernstes Problem darstellt.

Als Unterkunft und Spielort diente das Hotel Imperial, ein eindrucksvoller, palastartiger Altbau. Ein Einzelzimmer mit Frühstück wurde dort zum Schnäppchenpreis von 26 Euro angeboten. Ich buchte für weitere 10 Euro das Abendessen hinzu, das ich dann allerdings nur in Ausnahmefällen genießen konnte. Unsinnigerweise schloss das Hotelrestaurant nämlich schon um 20:30 Uhr seine Pforten, obwohl die Partien erst um 17:30 Uhr begannen. Wie das wohl funktionieren sollte? Der Organisator bot mir an, mir das Geld zurückzuerstatten, aber letztlich war ich gar nicht einmal unzufrieden, denn schon die vage Hoffnung auf ein leckeres Abendessen (das Buffet war wirklich gut) trieb mich als Zeitnotkandidaten tatsächlich zu schnellerem Spiel an. So zahlte ich quasi 10 Euro für die Vermeidung von Zeitnot, was mir auch recht war.

Abgesehen von zwei Doppelrunden (einmal durfte man ein kampfloses Remis nehmen, was ich aber nicht tat) hatte ich also relativ Freizeit, die ich vor allem nutzte, um die bequem per Fähre zu erreichende und sehr sehenswerte Hauptstadt (UNESCO-Weltkulturerbe) zu erkunden. Die bedeutendsten Sehenswürdigkeiten sind die äußerst prunkvolle Kathedrale „St. John’s“, die auch zwei berühmte Gemälde von Caravaggio beherbergt, und der Großmeisterpalast, dessen Name natürlich nichts mit Schach zu tun hat, sondern von den Großmeistern des Malteserordens herrührt. (Im Schach ist Malta ein Entwicklungsland und verfügt nicht einmal über einen FM.)

Kommen wir zu meinem Turnierverlauf: In der ersten Runde konnte ich ein „Hippopotamus im Anzug“ (ohne Krawatte) zunächst ganz gut bändigen und meinen Gegner klar überspielen. Gerade als ich ihm wieder eine gewisse Chance einräumte, stellte er plötzlich einen Turm ein und gab sofort auf. Dann traf ich auf einen Amerikaner namens Robert Fischer, der in der Datenbank mehr als einen Namensvetter hat. Letztlich war es egal, da er schon in der Eröffnung schwer fehlgriff und bald kollabierte. Kurioserweise widerfuhr mir gleich in der nächsten Runde dasselbe Schicksal. Gegen einen griechischen Youngster, der zuvor immerhin GM Petrov geschlagen hatte, wollte ich als Schwarzer mit einer soliden Berliner Mauer dagegenhalten. Das klappte wie folgt: 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.d3 d6 5.0-0 g6 (solider ist 5…Ld7) 6.d4!? exd4? (hier ist 6…Ld7 absolut Pflicht, wie u. a. Kramnik schon gespielt hat) 7.e5! mit klarem Vorteil für Weiß. An diesem Tag kam ich rechtzeitig zum Abendessen. Amüsanter war die vierte Runde, denn mein schottischer Gegner Robert McAndrew entpuppte sich als Luxemburger Arbeitskollege. Wir teilten uns kollegial den Punkt. Eigentlich brachte erst die fünfte Runde den ersten vollwertigen Kampf. Ich ließ zwar im Endspiel eine gute Gewinnchance aus, konnte aber zuvor meinen soliden englischen Gegner mit Schwarz weitgehend überspielen. So ganz konnte ich das Schachspielen also nicht verlernt haben. Mein Score war allerdings mit 3/5 zu diesem Zeitpunkt noch eher mittelmäßig. Hätte mir jemand in diesem Moment einen Sprung in die Preisränge prophezeit, hätte ich ihn zum Arzt geschickt, aber nun nahm das Wunder seinen Lauf. Nach zwei strategisch herausgespielten Siegen gegen Leute mit ca. 1900 folgte ein taktisch geprägter Erfolg gegen den nominell ziemlich genau gleich starken Arthur Gil aus Bayern. Zum Schluss hatte ich Schwarz gegen einen spanischen 2200er und wäre eigentlich schon mit Remis zufrieden gewesen. Er wollte offenbar unbedingt gewinnen, setzte aber im kritischen Moment falsch fort und stand plötzlich mit einer Qualität mehr, aber mit einer miserablen Stellung da. Diese Chance ließ ich mir nicht nehmen. So teilte ich völlig unerwartet mit 7/9 den zweiten Platz, wenn auch mit bescheidener Buchholz, und kassierte noch 125 Euro Preisgeld.

Wie man sieht, war der Preisfonds nicht allzu üppig (1. Platz: 1000 Euro), so dass das Turnier nicht sonderlich stark besetzt war. Kein Spieler hatte über 2500 Elo, aber mehrere lagen knapp darunter. Nicht mehr ganz so elostark, aber dennoch ein interessanter Teilnehmer war der 84-jährige israelische GM Yair Kraidman, der mit fast allen großen Namen seiner Generation die Klingen gekreuzt hat; beispielsweise konnte Bobby Fischer gegen ihn nur mit großer Mühe ins Remis entkommen. Turniersieger wurde völlig verdient der Inder R. B. Ramesh, der stets einen souveränen Eindruck machte, während seine vermeintlichen Hauptkonkurrenten Dann und Petrov jeweils schon in der zweiten Runde verloren. Als Lohn erhielt er neben dem Preisgeld eine große maltesische Ritterfigur. Hoffentlich gab es keine Probleme beim Transport und beim Zoll.

Insgesamt war es eine gelungene Veranstaltung, die ich guten Gewissens weiterempfehlen kann. Sprachprobleme dürfte es für die meisten Deutschen nicht geben, denn neben dem Maltesischen (eine kuriose Mischung aus Arabisch und Italienisch) ist Englisch die zweite Amtssprache, die von so gut wie allen Maltesern fließend beherrscht wird. Die Organisation war insgesamt überzeugend, nur war es aufgrund eines neuen Teilnehmerrekords (231 Spieler im Hauptturnier plus 17 Senioren) relativ eng. Zuschauer (selbst Eltern von teilnehmenden Kindern) waren daher unerwünscht, und auch die Spieler sollten nach Partieende so bald wie möglich das Lokal verlassen. Nicht optimal, aber andererseits ist es positiv, dass das Turnier immer beliebter wird und sogar Spieler von anderen Kontinenten anlockt. Ich hoffe jedenfalls, dass dieses Open noch lange ausgetragen wird, und könnte mir vorstellen, erneut teilzunehmen.

Alle Einzelergebnisse und die Endtabelle findet man unter http://www.chessorg.com/malta.php

Die eine oder andere Partie folgt voraussichtlich in den nächsten Tagen im Köki-Blog (https://koenigskinder-hohentuebingen.de/tag/malta-2016/)

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