Schlagabtausch in Heidelberg

In der Woche nach Ostern reisten 5 Königskinder (inklusive einem kooptierten von Reutlingen) zu den Württembergischen Jugendeinzelmeisterschaften nach Heidelberg. Jörg berichtete über Ergebnisse und Geschichten, ich möchte hier die Partie von Lauritz aus der fünften Runde gegen Niklas Wunder kommentieren.

Jansen,Lauritz (1860) – Wunder,Niklas (1808)

1. d4 Sf6 2. c4 g6 3. Sc3 Lg7 4. e4 d6 5. f4 O-O 6. Sf3 c5 7. d5 e6 8. Le2 exd5
9. cxd5 Lg4

Laut meinem Buch, das allerdings auch schon etwas älter ist, die solideste Fortsetzung. Außerdem gibt es noch 9…Te8, wenn man sich auf ein Theorieduell einlassen möchte und 9…b5 für die ganz harten.
10. O-O Te8 11. h3  11.Lxf3 12. Lxf3

Jansen - Wunder nach 12.Lxf3

Nach 12.Lxf3

Bisher haben beide Spieler sich schön theoriegemäß im Vierbauernangriff aufgebaut. Hier dreht es sich um das Feld e5. Schafft Weiß einen Durchbruch? Oder kann Schwarz ihn entweder verhindern oder Vorteile daraus ziehen? Diese Überlegungen bewogen Schwarz wohl dazu, mit seinem nächsten Zug das Feld noch mehr unter Kontrolle zu nehmen:
12…Sfd7?!  

Königsindisch bedeutet: Weiß hat das Zentrum, Schwarz Entwicklungsvorsprung (sehr vereinfacht gesagt). Und diese Vorteile müssen beide Seiten versuchen zu nutzen, wenn nötig unter Opfern. Mit diesem Zug geht Schwarz in die Defensive. Er verliert ein Tempo, um sich e5 entgegenzustemmen – aber wenn nötig spielt Weiß den Zug einfach unter Bauernopfer. Dafür muss Schwarz mit einer guten Entwicklung gerüstet sein. Aus diesem Grund gefällt mir der Zug nicht, wenn er auch kein schwerer Fehler ist.
13. Dd3?!

Auch der Zug will mir nicht einleuchten. Die Dame steht zwar hier
ganz gut, aber dass tut sie auch auf d1. 13.Le3 oder ähnliche Entwicklungszüge sind besser. Auch im weiteren Verlauf spielt Weiß etwas planlos und gerät in der Folge in Nachteil:
13…Sa6 14. a3?! Tc8 15. Le3 c4! 16. Dc2 Sac5 17. Tab1?! Da5 18. Kh1

Jansen-Wunder nach 18.Kh1

Nach 18.Kh1

Die Stelle lohnt einer genaueren Betrachtung. Da Weiß eher zögerlich vorgegangen ist, hatte der schwarze Aufbau mit Sfd7 einen vollen Erfolg. Nun stehen praktisch alle schwarzen Figuren ideal, während auf weißer Seite insbesondere der Turm auf b1 etwas traurig in der Gegend herumsteht. Aber Weiß hat auch keine direkten Schwächen oder Angriffspunkte. Deshalb muss Schwarz die derzeitige bessere Koordination seiner Figuren nutzen und angreifen. Der Computervorschlag (und eigentlich auch ziemlich logische Zug) 18…Sd3! ist dafür geeignet. Er droht zwar noch nicht Sxb2 (das würde mit e5 und für Weiß positiven Entwicklungen) beantwortet, aber er droht zu drohen… und mit S7c5 hätte Schwarz auch eine gute Fortsetzung, um mehr Figuren in die Schlacht zu bringen. Auch f5 ist eine Idee, da der Bauer nicht schlagen darf.
In der Partie entschied sich Schwarz für eine andere Zugfolge, die zwar auch nicht schlecht ist, aber leider nichts direktes droht:
18…b5 19. Lg4 Tb8 20.f5

Typisch Lauritz, würde ich sagen. Vorpreschen, den Gegner unter Druck setzen… praktisch oft eine gute Vorgehensweise. Strategisch ist der Zug nicht so toll, da der Läufer verstellt und das Feld e5 für den gegnerischen Springer frei wird.
20…Dc7  21. Tbe1 Se5

der sich dort auch direkt platziert.

Jansen - Wunder nach 22.f6

Nach 22.f6

22. f6

So, der Sargnagel ist installiert. Aber wie bringen wir jetzt den König in den Sarg, so ganz ohne helfende Figuren und mit lauter Verteidigern um den gegnerischen König? Klingt das eigentlich zu makaber? Immerhin habe ich nicht von Leichen gesprochen…
22…Nxg4?

A propos Leichen. Da geht auf weißer Seite gerade eine von Bord und nimmt einen Aktivposten des Schwarzen mit. Schwarz braucht wohl auch eine Lektion in Sachen Strategie. Das hier ist irgendwie der Wendepunkt in der Partie – ab jetzt geht es aufwärts für Weiß.
23. hxg4 Lf8 24. g5 a5 25. Ld2 Dc8 26. Sd1 Sd3 27. Lxa5

Jansen - Wunder nach 27.Lxa5

Nach 27.Lxa5

Gut, bisher sieht man von einem Aufwärtstrend für Weiß noch nicht so viel. Wie hätte Schwarz denn hier seinen gleich folgenden freien Fall stoppen können? Nein… die Partiefortsetzung ist es logischerweise nicht. Auflösung gibt es in den Kommentaren, sobald ein paar Leute was dazu geschrieben haben – oder ich keine Lust mehr habe, auf Kommentare zu warten.
27…Sxe1 28. Txe1 h6 29. Sf2 hxg5 30. g4 Lg7? 31.Lc3?

Kann mir mal jemand den Zug erklären? Lauritz? Ist das ein Notierungsfehler? Kann aber eigentlich kaum sein, wenn man sich die Zugfolge betrachtet. Hat hier Schwarz nicht einfach eine Figur eingestellt – und Weiß sie nicht genommen?
31. Lh8 32. Dd2 Te5!

Jansen - Wunder nach 32...Te5

Nach 32…Te5

Gute Verteidigung! Schwarz opfert die Qualität zurück, entfernt den weißen Angriffsläufer und kriegt obendrein noch den Sargnagel. Von dem ausgerufenen Trend ist immernoch nichts zu sehen… außer, dass Schwarz in der Verteidigung bleibt…
33. Lxe5 dxe5 34. Dxg5 Dd8 35. Dxe5 Lxf6 36. Df4 Lxb2 37. g5 Tb7 38. Sg4 Lxa3 39. Kg2 Dd6?

Jansen - Wunder nach 39...Dd6

Nach 39…Dd6

Und das fordert jetzt Tribut. 39…Lb2 bringt den Läufer zurück auf die wichtige Diagonale und verhindert das jetzt folgende tödliche Springerschach:
40. Sf6+ Kf8 41. e5 Db4 42. Dh4 Dd2+  43. Kg1 Lc5+ 44. Kh1 Ke7 45.
d6+ 1-0

Finale furioso, sagt man wohl dazu.

4 Kommentare

  1. Ich habe mir die Partie auch ein bisschen angeguckt, bin aber noch nicht viel weiter als bis zur Hälfte gekommen. Ein paar ergänzende Anmerkungen kann ich immerhin schon anbieten:
    a) Zu diesem komischen 12…Sfd7 gibt es eine interessante Partie von Mamedyarov, der es wie folgt spielte: 13.Kh1!? Sa6 14.e5! dxe5 15.d6! Das sieht thematisch und stark aus.
    b) 18.Kh1 war mit der trickreichen Idee verbunden, als nächstes Lg4 zu spielen, wonach …f5 mit Lxc5 beantwortet werden könnte, ohne dass die Dame mit Schach zurückschlägt. Das hat Schwarz nicht kapiert und auch deswegen wäre 18…Sd3 stark gewesen.
    c) Anstelle des allzu geradlinigen 20.f5?! würde ich anregen, zuerst 20.e5!? dxe5 einzuschieben und dann erst 21.f5. Dieses Idee hat Lanka immer wieder gezeigt; er nennt es “parallele Blockade mit Bauernopfer”. Man verstellt damit die Wirkungslinien der schwarzen Figuren und der d-Bauer wird frei.
    d) 21…Se5 ist m.E. Käse, weil es 22.f6 zulässt und die e-Linie verstellt. Stattdessen gefällt mir z.B. 21…a5! sehr gut. Für meine Begriffe hat Schwarz dann eine Traumstellung und riesigen Vorteil.

  2. Martin Schmidt

    Zu c) So richtig funktioniert die parallele Blockade hier aber nicht, habe ich den Eindruck. Kann Schwarz nicht e4 spielen, um sich wieder zu entblockieren?
    d) Hm… ist denn f6 ein so großes Problem? Sehe ich eigentlich nicht. Aber ich sehe den Vorteil von 21…a5 – alleine, das es flexibler ist. Se5 rennt einem schließlich nicht weg uns so wird f6 erst einmal nicht zugelassen, was den Weißen praktisch ziemlich nerven wird, ich sehe nämlich keine weitere Idee für ihn.

  3. Im Fall c) hat Weiß auf jeden Fall eine gefährliche Initiative und viel bessere Möglichkeiten als in der Partie. Wichtig ist z.B. auch, dass der Sc5 seine Stütze verliert, so dass die schwarzen Springer aneinander kleben. Nach 21…e4 sehen sowohl 22.fxg6 nebst Df2 als auch 22.d6 interessant aus. Wenn man Houdini ein bisschen Zeit gibt, findet er überall weißen Vorteil, trotz des Minusbauern.

  4. Martin Schmidt

    Ok, das es besser ist als die Partiefortsetzung, darüber würde ich sogar ohne Computer nicht mit dir streiten. Dennoch wundert mich die Computerbewertung ein wenig, so stark erschien mir der Angriff nicht. Bei Gelegenheit möchte ich da doch noch einmal hineinschauen.

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