Als ich dieser Tage beim Ausmisten meiner Trainingsunterlagen auf alte Übungsblätter stieß, fiel mir besonders die nachfolgende, in ihrer Einfachheit und Klarheit bestechende Studie des russischen “Komponisten” Wladimir Korolkow (1907 – 87) auf, dessen Werke hierzulande kaum noch oder gar nicht mehr bekannt sein dürften.
W. Korolkow, Studie (1951), Weiß am Zug gewinnt
Bei dem stark reduzierten Material geht es in erster Linie um die Umwandlung des letzten verbliebenen Bauern, der nach 1.f7 auch offenbar schon entscheidend vorstößt. 1… Tf6 scheitert natürlich an 2.Lb2, 1… Tg8 an der finalen Springergabel auf e7. Aber Schwarz zeigt hier und im weiteren Verlauf ungeahnte Verteidigungsmittel …
1… Ta6+
Nun ist die weiße Kreativität gefragt, denn 2.Kb2 erlaubt Tf6, 2.Kb1 Lxf5+ und der Bauer ist gebändigt.
2.La3!! Ein großartiges Opfer zur Ablenkung des schwarzen Turmes, es bleibt nur die Annahme.
2… Txa3+ 3.Kb2 und der Kampf scheint entschieden, beginnt aber tatsächlich nochmals neu
3… Ta2+ 4.Kc1!
der einzige Gewinnversuch, denn 4.Kxa2 ermöglicht Le6+ nebst Lxf7 und nach 4.Kc3 kann Schwarz den weißen König durch 4… Tc2+ ewig verfolgen, 5.Kxc2 scheitert ja an Lxf5+ nebst Kg7.
4… Ta1+ wieder der einzige Zug, hier würde 4… Tc2+ wegen 5.Kd1 nicht funktionieren. Nun jedoch begibt sich der weiße König hin zu seinem Springer, um sich dort der Nachstellungen des Turmes zu entziehen.
5.Kd2 Ta2+ 6.Ke3 Ta3+ 7.Kf4 Ta4+ 8.Kg5
wieder scheint der Kampf entschieden, da der Turm keine sinnvollen Schachgebote mehr hat.
8… Tg4+!
Wird der Turm geschlagen, mündet die Stellung nach 9.Kxg4 Lxf5+ 10.Kxf5 Kg7 11.Ke6 Kf8 in ein bekanntes Elementarendspiel, bei dem Weiß nur die Wahl zwischen patt und Bauernverlust hat. Deshalb …
9.Kh6 Tg8
Hier hätte 9… Tg6+ 10.Kxg6 Lxf5+ natürlich wegen 11.Kf6 (oder Kh6) keinen Sinn, nun hat es der schwarze Turm aber durch fast übermenschliche Energie doch noch geschafft, den Bauern zu kontrollieren. Weiß muss den Turm aber nicht schlagen, sondern droht mit …
10.Se7 weiteres Unheil auf g8 oder g6.
Nach der einzigen Verteidigung
11… Le6
folgt der künstlerisch bezaubernde Schluss
12.fxg8T+ Lxg8 13.Sg6 matt
Verblüffend, einfach und einfach schön!
Straightforward, wie man hier wahrscheinlich sagen würde. Sehr schön, die Ausschlussmethode führt einen immer einen Schritt weiter – man muss den Zug lediglich sehen.
Aus aktuellem Anlass: War eigentlich jemand von den Mitlesern mal in Polen und hat von dort mehrfach auf die Seite zugegriffen? Ich habe gerade gesehen, dass wir aus Polen 24 Views haben…
Coole Schlussstellung 🙂
Auch von mir hier noch einmal eine Studie, die mit geringstem Aufwand (K+B – K+B) eine große Idee umsetzen kann. Ich hab sie schon gelegentlich gezeigt, hier aber gerne noch einmal.
Grigoriew, 1928: Weiß gewinnt
wKc2, Bg3
sKa2, Bb6
Das Wettrennen der Bauern mit 1.g4 b5 sieht zwar verlockend aus, weil der weiße Bauer mit Schach auf g8 einzieht, aber leider gewinnt dann auch Schwarz mit 3… b3+ ein Tempo, wonach das Endspiel K+D – K+D trotz des eingeklemmten sKa2 remis ist.
Daher 1.Kc3! Ka3 (einziger Zug)
2.Kc4 Ka4
3.g4 b5+
4.Kd3!! (droht 5.Kc2) 4…Ka3 (der schwarze König muss mitlaufen)
5.g5 b4
6.g6 b3 (ohne Schach!)
7.g7 b2
8.Kc2 Ka2
9.g8D+ und gewinnt.
Großes Schach mit nur vier Steinen!