In der letzten Runde des 5.Bade-Cups (1 Stunde/Partie) spielte ich mit Schwarz gegen Burkhard Seewald. Es war klar, dass ich nur mit einem Sieg das Turnier sicher gewinnen würde und dementsprechend war ich angenehm überrascht, als Burkhard die Eröffnung im Spanier schwach behandelte. Leider hielt das nicht lange vor, schon bald stellte ich einen Bauern ein und kämpfte ums Remis. Es gelang mir, meine Figuren recht aktiv aufzustellen und folgende Stellung zu erreichen:
Dies ist die Stellung nach dem 27.Zug von Weiß. Wie sollte
Schwarz hier fortsetzen?
Anmerkung: Aus einem mir nicht bekannten Grund wechselte die Partienotation beim Kopieren von der deutschen in die englische Version. Für diejenigen, die damit nicht vertraut sind, hier die Kürzel:
K=König; Q=Dame; R=Turm; B=Läufer; N=Springer
Die in der Partie gespielte Hauptvariante ist fett markiert, die ersten Abzweigungen sind kursiv gehalten, der Rest wird nur durch Klammern abgetrennt.
Außerdem ist auf der letzten Seite die gesamte Partie ab diesem Diagramm in einem von Chessbase-Programmen lesbaren Format angegeben (einfach hereinkopieren). Wenn ihr Kritik oder gerne auch Lob habt, spart nicht mit Kommentaren. Viel Spaß!
27… Qh5! Schwarz muss sofort zu aktiven Handlungen übergehen, ansonsten kann Weiß die Stellung konsolidieren. Schauen wir uns die beiden anderen Möglichkeiten an, die ebenfalls zu ebenfalls gleichen Spiel führen, allerdings etwas minderwertig sind.
27…b3 Der Zug ist zwar möglich, aber er leistet nicht viel, treibt die Dame auf
ein besseres Feld und stellt den Bauern schlechter. Ich erwog diesen Zug
trotzdem eine Weile, da so der b-Bauer des Weißen auf der Farbe des
schwarzfeldrigen Läufers festgehalten wird. Weiß spielt 28. Qd2 (oder Dd3, da
ist sich der Computer nicht sicher. Mir gefällt Dd2 wesentlich besser, da die
Dame hier die Wirkung des Läufers unterstützt.)
28. Qxb3 ist zwar möglich, aber Schwarz kann jetzt angreifen: 28… Qg6 29. f4 Bf3 30. Rf2 Bxd1 31. Qxd1 Bxf4 32. Bxf4 Rxb6 =
Diese Stellung ist recht interessant:
Trotz des leichten rechnerischen Vorteils ist sie für Schwarz praktisch nicht zu gewinnen, da er einfach zu viele Schwächen verwalten muss (a5, d6, kurzfristig auch die Grundreihe)
Nach 28.Dd2 hat Schwarz immernoch keine aktive Idee außer 28… Qh5 29. Nd5 Bxd5 30. cxd5 und nun die interessante und logische Idee von Houdini, den Damenturm ins Spiel zu bringen 30… Rb4 Schwarz hat auf Grund seines starken Läufer wohl genügend Gegenspiel für den Bauern, aber mehr auch nicht.
Eine andere Möglichkeit wäre
27… Be4 Der Zug ist zwar effektvoll, da Weiß wegen dem Abzug des Läufers
nach h2 nicht nehmen kann, aber so wirklich bringt er auch nichts. Auch hier
stellt Weiß einfach die Dame besser: 28. Qd2 und Houdini gibt hier +0.28.
Ich habe nicht gesehen, was der Läufer dem schwarzen auf e4 mehr nützen soll
und spielte deswegen Dh5.
28. b3 Wie sollte Schwarz nun fortsetzen?
Zum Zug 28…Lxg2! vergleiche 21.Lxg7! in Kasparov – Portisch, Niksic (4) 1983.
Ich hab sie mir gerade mal angeschaut, das war ja schon ein sehr spektakuläres Opfer von Kasparov.
Schönes Taktiktraining. Trotzdem habe ich mir zuerst das Endspiel angeguckt 🙂
An zwei Stellen möchte ich vor den Computerangaben warnen:
a) Die Variante im 40. Zug von Schwarz führt wohl zum Remis. Soweit ich es sehe, hat Weiß nach 46.Tc4 eine Festung, es sei denn, es gibt noch irgendeinen fiesen Zugzwang.
b) 43.Lxa5 wird vom Rechner empfohlen (angeblich mit klarem Vorteil), aber er verrät nicht, wie er nach 43…h4 44.Td8 Dc2+ aus dem Dauerschach kommen will (es geht auch nicht).
Als Fernschachspieler kenne ich ein bisschen die Marotten der Programme…
Interessant ist die Parallele, dass das Läuferopfer auf g2 (g7) auch gerade deshalb funktioniert, weil sich ein gegnerischer Springer am Damenflügel vergaloppiert hat: der abseits stehende sSa5 in Kasparov – Portisch genau wie der wSb6 in Seewald – Schmidt.
@mattovsky: Ah, danke. Nun, ich war ja auch bei meiner Bewertung der Varianten hinreichend vorsichtig, hoffe ich. Für mich hat sich der Hauptteil des Kampfes (und meiner Analyse) eher vorher abgespielt. Trotzdem hoffe ich, dass das nächste Mal etwas erscheint, dass nicht nur über Mitternacht analysiert wurde^^
@Turgon: Ah, das meintest du. Ich hatte mich schon gefragt, wo du genau die Ähnlichkeit siehst. Ja, die Springer machen beide male einen recht traurigen Anblick.
Als ich mir die Stellung ansah, ging mir durch den Kopf die Dame nach g6 zu stellen; (um dort ein schönes “Pionierhaus-Matt” zu drohen-und wie mache ich das? mit 27….Be4 und das habe ich ohne Fritz in nur einigen Minuten gefunden. Bei 28.Qxe4 Bh2+ 29.Kxh2 Qxe4 hat für Schwarz die beiden Läufer und einen Bauern die Dame. Ist das zu wenig? Nach z.B. 28.Qd2 Qg6 wie verteidigt sich weiß am besten? 29.f3 Bxf3 30.Nd7 Qg3, das hat doch was. 29.g3 Bxg3 müsste doch auch gehen oder? Wenn der Zug 27….Be4 nicht wenigstens genauso schnell zum Gewinn führt dann sage doch bitte warum nicht, bzw. warum 27…Qh5 stärker sein soll? Also vor allem wenn ich nicht mehr viel Zeit hätte, hätte ich 27….Be4 gespielt, ist das keine gute Alternative zu 27…Qh5? Danke um eine Antwort.
Hallo tumirnix,
Tatsächlich habe ich an dem Zug auch während der Partie überlegt. Allerdings kann Weiß nach 27…Be4 28.Qd2 Qg6 den Zug 29.f4 spielen, was g2 deckt und gleichzeitig den schwarzfeldrigen Läufer von seinem Posten vertreibt. Der hält dort jedoch die Stellung zusammen, muss also dort behauptet werden.
Aus diesem Grund habe ich mich dagegen entschieden, die weiße Dame auf d2 und den schwarzen Läufer auf e4 (wo er ebenfalls anfällig ist) zu platzieren.
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