Mein erster Turniersieg

06.09. – 10.09.: Württembergisches Schachfestival Offenes Turnier

Weitere Preise für Marius, Stela und Tatiana

Das Festival

Vier Jahre lag mein letztes Turnier inzwischen zurück – und sogar mehr als fünf, wenn man eine so „meh“ gelaufene WAM einmal unter den Tisch fallen lässt. Obwohl meine Ergebnisse in der Liga nicht schlecht waren wusste ich also nicht, wie ich mich in einem mehrtägigen Turnier schlagen würde. Passenderweise würde es gleich die Württembergische Einzelmeisterschaft sein, dieses Jahr in Unterhausen in Lichtenstein. Einigermaßen leicht zu erreichen, wobei ich sämtliche Fahrzeuge durchmachte: Fahrrad, ÖPNV und Auto. Die Spielbedingungen waren mit einer großen Sporthalle in Ordnung, auch wenn das Ambiente natürlich nicht viel her machte. Aber das tritt natürlich während des Spielens doch eher in den Hintergrund.

Zusammen mit mir waren noch fünf weitere Königskinder im Offenen Turnier unterwegs: Marius Hurm wollte oben mitspielen, während es für die Moldovans und Anastasiia um die Erfahrung gegen starke Gegner ging. Auf ihren Turnierverlauf werde ich noch gesondert eingehen.

Der Weg zum Turniersieg

Bryan Worbs in Runde eins ist genau einer von den unangenehmen Gegnern, die den Topgesetzten immer vorgesetzt werden: Man muss sie schlagen, aber das ist bei weitem nicht garantiert. Ausgangs der Eröffnung war ich nicht wirklich zufrieden, aber glücklicherweise spielte er dann ein von mir bereits korrekterweise verworfenes Opfer. Trotz Minusfigur ging die Partie noch lange, aber meinen Sieg bezweifelte ich danach nie.

Die Eröffnungsstellung in der zweiten Partie gefiel mir dagegen sehr gut, nachdem ich gegen Lorenzo Heel von meinen üblichen Pfaden abgewichen bin. Aber ich hatte sie wohl etwas überschätzt. Mein Gegner, der sich im letzten Jahr stark verbessert hat, blieb ruhig und nutzte genau den Moment zu einem Gegenangriff, in dem ich mich im Besitz eines kleinen, aber stabilen Vorteils wähnte. Auf einmal war mein König in Gefahr und Schwarz hätte sogar ziemlich sicher gewinnen können, griff dann aber seinerseits fehl. All diese Partien habe ich noch keiner genauen Analyse unterzogen, deswegen werden in diesem Bericht häufiger Wörter wie „wahrscheinlich“ oder „ziemlich“ auftauchen. Gerade als ich dachte, seinen Angriff abgewehrt zu haben und den Damentausch zu erzwingen, fand er ein Damenopfer, dessen Annahme aber sofortiges Matt bedeutet hätte. Mein vorheriger Mehrbauer war weg und ich landete in einem schlechten Endspiel, dass ich nur mit viel Glück Remis hielt.

In der dritten Runde kam es zu einem Vereinsduell: Mit Schwarz spielte ich gegen Stela, was schon einen Hinweis auf ihre Turnierperformance gibt. Gegen mich brachte sie ausgangs der Eröffnung ein eher zweifelhaftes Bauernopfer, das eher meine Steine aktivierte. Trotz ihrer vielen Versuche, Gegenspiel zu kreieren, war die Partie am Ende nicht mehr zu retten für Weiß.

In der Einzelrunde am Freitag spielte ich gegen den noch sehr jungen Neil Albrecht. Ohnehin waren bei diesem Turnier eine Menge junger Spieler:innen unterwegs, die den Etablierten auch ordentlich einheizten. Auch hier gefiel mir meine Eröffnungsstellung wieder sehr gut, bevor ich einen taktischen Gegenschlag übersah, der mich eine Figur kostete. Ich fand noch eine Verzweiflungsvariante, die Gegenspiel gegen den schwarzen König versprach, auf das ich im weiteren auch konsequent spielte. Die Stellung war nicht einfach für Schwarz, aber ich bin überzeugt, dass sie trotzdem gewonnen ist – aber die Suche danach kostete Neil Zeit und Kraft und am Ende schaffte er es nicht, dem Angriff standzuhalten und musste die Figur zurückgeben. Meine Verwertung des Endspiels mit zwei Mehrbauern war gerade noch ausreichend – nach weiteren zwei Stunden gab er schließlich auf, das hätte ich auch viel schneller haben können.

Auf einmal spielte ich an Tisch eins gegen den führenden Mischa Foksha, der mit 4/4 gegen starke Gegner überragend unterwegs war. Gegen ihn hatte ich wohl die beste Leistung meines Turniers – so wie es sein muss. Die Eröffnung hätte zwar noch etwas konsequenter sein können, aber ein Bauerntausch brachte meinen Turm auf seine siebte Reihe, was schließlich zu einem Bauerngewinn für mich führte. Den Gegenangriff des Schwarzen konnte ich abwehren und gewann schließlich selber mit einer Läuferzange von h6/c4. Danach führte ich das Turnier an, punktgleich mit Hans Peter Kuhlmann. Und natürlich war so auch die nächste Paarungen.

Hier konnte ich mir ausgangs der Eröffnung einen Freibauern verschaffen, der Weiß einige Kopfschmerzen bereitete. Trotzdem blieb die Partie (trotz einiger faszinierender Varianten, die aber hinter den Kulissen blieben) wohl ziemlich im Gleichgewicht – bis er in Zeitnot im Endspiel eine Figur verlor.

In der letzten Runde spielte ich dann gegen Marius – ausgerechnet. Die Konstellation war für uns mehr als ungut, da wir eigentlich beide einen Sieg brauchten – ich für den ersten Platz, Marius für die sichere Qualifikation. Dennoch bot ich probehalber ausgangs der Eröffnung Remis an, um die Verhältnisse zu klären – und nach einem kurzen Blick auf die Partien der Konkurrenz nahm Marius an.

Da Mischa Foksha in dem Duell gegen seinen Vereinskameraden an Brett zwei nicht gewinnen konnte und am Ende sogar über das Remis froh sein musste, bedeuteten diese 6/7 für mich am Ende den Sieg im offenen Turnier mit einem halben Punkt Vorsprung. Anscheinend hat sich mein Training in den letzten Wochen doch ausgezahlt.

Die Partien waren zwar durchaus fehlerbehaftet, aber zumindest in den wichtigen Partien um den Turniersieg hat mir mein Spiel besser gefallen. Und meine Ratingleistung war zwar nicht besonders hoch – aber letztendlich habe ich gegen die Nummer 2-5 der Endtabelle gespielt und damit gegen Gegner, die hier tendenziell eher besser gespielt haben als ihre Zahl aussagt.

Der Turnierverlauf von Marius

Auch Marius hatte sich einiges für das Turnier vorgenommen und gewann auch gleich die erste Runde im Vereinsduell gegen Tatiana unter Qualitätsopfer. In der zweiten Runde gab ein Freibauer im Doppelturmendspiel den Ausschlag.

Gegen Mischa Foksha hatte Marius nach der Eröffnung heraus gute Chancen, wählte aber den falschen Weg und verlor zwei Bauern. Den konnte sein Gegner in einem langen technischen Endspiel auch zum Sieg verwandeln.

Mit dieser Niederlage im Nacken spielte Marius dann in der vierten Runde eine (fast) perfekte Partie, die ihn wieder zurück in die Spitzengruppe katapultierte. Nach einem weiteren Sieg gegen Überraschungsmann Marius Dohon (7. am Ende) wollte er mit in den Kampf um den Turniersieg eingreifen. Dafür hätte aber die sechste Runde besser laufen müssen, in der er sich gegen Oliver Barth nach eigentlich gut verlaufener Eröffnung verrechnete und mit einem Minusbauern ums Remis kämpfen musste, das er schließlich auch erzielte.

Am letzten Tag kam dann der bereits oben beschriebene frühzeitige Friedensschluss gegen mich und ein versöhnlicher vierter Platz, der für das nächstjährige Kandidatenturnier berechtigen sollte – oder was dann anstelle dessen ausgetragen wird, da das Format geändert werden wird.

Unsere Jugendabteilung

Stela Moldovan überzeugte mit dem nächsten starken Turnier nach Zürichsee und der Frauenmeisterschaft. Sie remisierte in Runde eins gegen den späteren siebten Gerhard Janasik da sie die Stärke ihres Angriffes unterschätzte – da wäre auch mehr drinnen gewesen. Einem sicheren Schwarzsieg gegen Lukas Kauth folgte dann die Niederlage gegen mich und ein Remis gegen Markus Schmidt.

In der fünften Runde verlor sie dann leider ohne Chance gegen Yunqi Li – ich habe das Gefühl, dass unsere Schützlinge gegen diesen Gegner immer gehemmt spielen und sehr unnötige Fehler machen. Siege in den zwei Abschlussrunden katapultierten sie dann aber auf einen hervorragenden 14.Rang mit 4/7, was gleichzeitig auch den Frauenpreis bedeutete.

Tatiana Moldovan hatte in den ersten vier Runden das typische Schweizer-System Phänomen: Einer Niederlage gegen einen starken Gegner (Marius, Daniel Goldinov) folgte ein Sieg gegen einen eher schwächeren Gegner (wobei diese “schwächeren Gegner” bei diesem Turnier teilweise überraschten). Mit zwei guten Unentschieden holte sie dann Schwung für den Letztrundensieg gegen Daniel Bisanz, der schön im Turmendspiel durch größere Aktivität herausgespielt wurde. Mit ebenfalls 4/7 kam sie auf Rang 24 und gewann einen DWZ-Preis.

Anastasiia Luzgina startete schrecklich mit 0/3 und einem Remis (ebenfalls gegen Daniel Bisanz). Teilweise lag dies aber wohl auch darin begründet, dass sie sich nicht wohl fühlte – und in den ersten zwei Runden spielte sie gegen den späteren Dritten und gegen Yunqi Li. Am Wochenende saß aber auf einmal eine ganz andere Nastya am Brett: 3/3 lautete hier ihre Bilanz, darunter ein Sieg gegen einen 1700er in der letzten Runde.

Bei Teo Moldovan wechselten sich ebenfalls Niederlagen und Siege ab, allerdings hier leider im Verhältnis 3:2. Zwei Remisen in den letzten Runden brachten ihn am Ende auf 3 Punkte. Besonders nett dabei das Remis in der letzten Runde, wo er mit zwei Minusbauern eine Festung aufbauen konnte im Endspiel. So etwas wäre früher vermutlich durch übereiltes Spielen verloren gegangen.

Fazit

Sechs Königskinder bei der Württembergischen Meisterschaft ist für sich schon erfreulich – so viele haben von uns da noch nie teilgenommen. Das auch der Sieg im Open uns zu viel, Marius ebenfalls vorne mitgespielt hat und die Jugendlichen alle ebenfalls ihr Können gezeigt haben machte das für uns aber noch einmal außergewöhnlicher. Mal schauen, ob wir das nächstes Jahr wiederholen können.

Ergebnisse auf Chess-Results: https://chess-results.com/tnr801602.aspx?lan=0&art=1&fed=GER&turdet=YES

Homepage des Schachfestivals: https://wem.svw.info/

Fotos:

Partien

Da für eine ausführlichere Analyse die Zeit fehlte und ich die Partien auch teilweise ja noch im Erwachsenentraining am 22.09. verwenden möchte werde ich hier erst einmal nur die entscheidende Partie von mir gegen Mischa Foksha zeigen. Sie ist ohne Computer analysiert – wer möchte, kann sich dort also gerne selber in die Varianten stürzen. Die anderen Partien – sowohl von mir als auch von den anderen – möchte ich aber auch noch in weiteren Artikel vorführen.

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