So ein gutes Turnier – und doch zu wenig

Nach vielen verpassten Turnieren in diesem Jahr, wo immer irgendetwas dazwischenkam, endlich mal wieder das volle Paket Turnierschach. Dazu war der 5. Heidelberger Schachherbst auch noch bei mir in Heidelberg, da sparte man sich teure und stressige Unterkünfte und Anfahrten. Wäre ich nicht die Woche vorher krank, dann wären es eigentlich die perfekten Bedingungen gewesen, um ein richtig erfolgreiches Turnier zu spielen.

Als 40. Gesetzter hatte ich eigentlich fest damit gerechnet, keinen Preis zu holen. Die Top-Ränge waren dann doch etwas weit weg und auch in meiner Ratingkategorie 1950-2100 DWZ waren einige talentierte Spieler vor mir, die ich wohl kaum alle übertreffen würde.

Tag 1

In der ersten Hälfte gesetzt sollte ich in Runde 1 eigentlich der Favorit sein, hatte gegen meinen Gegner allerdings letztes Jahr schon einmal gespielt – und verloren. Aber nach einer ungenauen Eröffnung seinerseits stand ich nach 11 Zügen schon mit 2 Bauern und Qualität mehr da, das sollte einfach werden. In der Abwicklung und der gegnerischen “Kompensation” ging dann allerdings einiges schief, ich musste Material zurückgeben war irgendwann punktetechnisch sogar hinten. Mit etwas Trickserei und etwas Glück war dann das Unentschieden aber noch drin.

Tag 2

In Runde 2 hätte ich schon wieder in der Eröffnung klaren Materialvorteil erzielen sollen, griff die Figur aber falsch an und verpasste damit die Gelegenheit. Weiteres druckvolles Spiel von mir erzwang dann jedoch irgendwann Fehler und ich hatte meinen ersten Sieg.

Runde 3 gegen den dritten (und letzten) schwächeren Gegner verlief wieder ähnlich: Wieder eine miserable Eröffnung des Gegners, irgendwie reicht es dann doch nicht ganz, aber bei der Abwicklung ins Springerendspiel sprangen dann zwei verbundene Freibauern raus, das ließ ich mir ausnahmsweise nicht nehmen. Ein guter Tag 2, zweimal gewonnen, da rutschte ich weit hoch in der Tabelle.

Tag 3

Daraufhin folgte in der vierten Runde mein erster Titelträger jemals – ein FM mit über 2200 Elo. Wiederum kannte ich mich in der Eröffnung deutlich länger und besser aus, hatte einen sagenhafte Angriff auf dem Brett, aber irgendwie hatte er doch immer eine Verteidigung. (Stockfisch hätte die Verteidigung mit einem Damenopfer geknackt – rückblickend eigentlich einfach zu sehen, aber das Motiv kam mir nie in den Sinn). Im Enspiel gab es auch nochmal Chancen für mich, am Schluss hatte ich dann allerdings Glück, dass er sich Turm gegen drei verbundene Freibauern nicht auf Sieg weiterzuspielen traute.

In Runde 5 kostete mich dann mein Plan, “schnell Remis zu machen, wenn es geht” eine weitere Gelegenheit, einen fast 200 Punkte stärkeren Gegner zu besiegen. Ein übersehener Zwischenzug und ich hatte eine glänzende Stellung mit Bauern mehr. Aber ich war weder konzentriert noch motiviert genug, den Sieg runterzuspielen, also wieder Remis. Eigentlich 2 Remis, über die man sich sonst wie Siege hätte freuen können, aber rückblickend waren es halbe Niederlagen.

Tag 4

Am letzten Tag lag ich aber immer noch auf relativ guten Plätzen und entschied mich entgegen meinen ursprünglichen Plan, Runde 6 wegen einer Vorlesung auszusetzen, um zu schauen was noch nach oben geht. Und es machte sich bezahlt. Eine gute Stellung aus der Eröffnung schien mir etwas zu entgleiten, aber ein bedrohlicher Angriff und ein übersehenes Matt belohnte meine Entscheidung fürs Schach mit einem Sieg.

Somit lag ich vor der letzten Runde auf Platz 3 meiner Ratinggruppe und auch nicht allzuweit entfernt von den Hauptpreisen. Aber es war unklar, ob mir ein Unentschieden reichen würde. Vielleicht holen manche meiner Mitkonkurrenten Hauptpreise und wären dann im Rennen um den Ratingpreis raus. Aber auch von unten könnten dann andere gleichziehen und von der Zweitwertung waren alle sehr nah beieinander. Das schien dann allerdings egal zu sein, ich hatte einen Bauern mehr und eine glatte Gewinnstellung, irgendein Preis wäre mir damit sicher. Aber wiederum: Irgendwie verduselte ich meinen Vorteil. Nur Remis.

Nun begann das Rechnen. Dass die beiden vor mir in der Ratinggruppe einen Hauptpreis holen würden, war mir relativ klar. Aber mehrere Spieler mit zuvor 4 Punkten gewannen. Wer hatte da jetzt am meisten Buchholz? Meine Gegner holten in der letzten Runde mittelmäßig viel Punkte, da hatte doch sicher jemand mehr Glück mit seinen Buchholz? Klarheit bekam ich dann erst, als irgendwann um 9 Uhr abends mein Name bei der Siegerehrung aufgerufen wurde. Hätte ich wetten müssen, hätte ich nicht auf mich gesetzt.

Am Ende also ein Ratingpreis und +30 DWZ, eigentlich ein klasse Turnier, und das nicht mal ganz fit. Aber eigentlich hätte in jeder Runde eine 1 für mich stehen müssen und nicht nur 3 mal. Eröffnungstechnisch blamierten sich viele Gegner, da wäre mehr drin gewesen. Ein Sieg in der letzten Runde z.B. hätte mich noch auf Platz 5 befördert.

Ein schönes Turnier war es trotzdem. Hoffentlich passt das öfters zeitlich und von der Distanz her so gut wie Heidelberg.

Foto von https://www.berndschessfactory.de/ Ich laufe gerade die Treppe runter

Schreibe einen Kommentar