Kein Reisestress heute! Alles fuhr wieder pünktlich, auch wenn ich auf der Rückfahrt noch nicht so richtiges Vertrauen in die Bahn hatte – aber am Ende saß ich wieder in Tübingen, einen halben Punkt und eine unvergessliche Erfahrung reicher. Frank Amos und ich spielten bereits mit vertauschten Farben letztes Jahr eine heiße Partie, aber dieses Mal ging es noch spannender zu.
Die ersten Züge überspringe ich wie üblich. Nach dem 17.Zug von Weiß stand ich bereits recht bequem
Amos, Frank – Schmidt, Martin
Der Springer in der Ecke macht zwar einen komischen Eindruck, kann aber wenn diese verflixte Dame einmal wegziehen würde, recht einfach auf bessere Felder manövriert werden. Für mich war der Moment gekommen, das gegnerische Zentrum anzugreifen
17….f5 18.f4 Weiß hält gleichermaßen dagegen. Ich entschied mich, zum Flügel zu schlagen, da nach 18…exf4 19.Sxf4 Lf7 der Bauer auf e4 etwas in der Luft hängt. Nach 20.Tfe1 Te8 21.Df2?! De5 war durch den Doppelangriff auf Sc2 und a5 auch bereits ein Bauer weg. Ob Schwarz danach allerdings wirklich gut stand, ist alles andere als klar. Nach acht weiteren Zügen ist von schwarzem Vorteil zumindest nichts mehr zu sehen
Es droht Sf5 mit nachfolgenden Se7, auch Te7 ist leider eine Drohung. Nach 29…Dg6 30.Te7 Txe7 bot ich Remis an, wurde aber abschlägig beschieden. Es ging Schlag auf Schlag weiter, ich verlor den Mehrbauern und nach der Zeitkontrolle – die von uns beiden gut erreicht wurde – hatte sich der Rauch verzogen. Und hier gingen die Abenteuer erst richtig los.
Schwarz hat die aktiveren Figuren und die bessere Bauernstruktur, aber eigentlich sollte Weiß die Stellung halten können. Zum Beispiel 41.c3 Ke5 42.Kf3 Sg5+ 43.Kd3 und Schwarz kann nicht eindringen.
41.h4 erlaubt aber genau das. 41…Ke5 c3 scheitert nun an Ke4 und 42.Kf3 Sd4+ 43.Sxd4 cxd4! verliert ebenfalls. Diese letzte Feinheit ist notwendig, da nach 43…Kxd4 44.Kf4 kommt und der Gegenangriff reicht mindestens zum Unentschieden. Nach 43…cxd4 muss Weiß den schwarzen König eindringen lassen – so zumindest mein durch eine kurze Nachanalyse bestätigtes Urteil während der Partie. 42.Se7 beide holen jetzt die Bauern ab, aber für Schwarz steht es am Ende wesentlich günstiger.
Nun verknüpfte Weiß den letzten Zug mit einem Remisangebot. Ich lehnte ab und spielte 47…Kd3. Was soll Weiß machen? Der Springer ist an den Bauern gebunden und der König kommt nicht heran. Bald wird sich der schwarze Springer auf den Weg nach c4 machen…
Mit dem letzten Zug bot Weiß den Bauern an. Die Absicht war wohl 54…Sxc4 55.Sxc5 Kxc5 56.Kg6 und hier gewinnt eher der Weiße. Aber was der kann, kann ich schon lange
54…Sxg4! ohne erschöpfende Analyse – das muss gewinnen! (Update: Frank Amos hat mir gestern noch gezeigt, welchen Remisweg er gefunden hat. Tatsächlich ist 56.Sb2+ ein grober Fehler, danach ist es nur noch haarscharf Remis. Die unten gezeigte Stellung ist aber natürlich gewonnen für Schwarz.) Weiß kann niemals die beiden schwarzen Freibauern gleichzeitig aufhalten, nicht mit diesem unglücklichen Ross. 55.Kxg4 Kxc4 56.Sb2+ das ist vermutlich ungeschickt, denn der König muss ja ohnehin ziehen, um dem Freibauern den Weg zu ebnen. So führte der Weg bald zu der entscheidenden Stellung
Weiß gibt auf oder probiert noch eine Weile lang herum, so war meine Einschätzung hier. Viel zu versuchen gibt es allerdings nicht mehr. Der Weiße nützte also seine letzte Entscheidung in dieser Partie zu 60.Sxc3?!?! Radikale Stellungsänderung. Amos war sich nicht sicher, ob das resultierende Endspiel Dame gegen Randbauern gewonnen war (ist es, der Bauer steht am Ende nur auf h6) und wollte noch etwas ausprobieren. 60…Kxc3 61.Kf5
Klare Sache. Jeder beliebige Königszug gewinnt – nicht aber 61…g4??
Ich saß nach der Ausführung erschrocken am Brett – das kann doch nicht war sein. Mehr als vier Stunden gekämpft – für nichts? Na, gut, für ein Remis – denn das ist es glücklicherweise nach 62.Kxg4 Kd4 63.Kf5 Kd5 Remis noch. Damit dürfte auch die Überschrift erklärt sein.
Morgen erwartet mich dann Philipp Müller – man darf gespannt sein.