In der ersten Runde der Tübinger Stadtmeisterschaft 2011 wurde ich mit Schwarz gegen Ralph Barta gelost, der mir mit einer DWZ von gut 1500 nominell klar unterlegen war, aber auch durchaus schon starke Gegner geschlagen hat, wie ein Blick in seine DWZ-Karteikarte zeigt. In dieser Partie konnte er nichts dergleichen zeigen, ich siegte sicher innerhalb 22.Zügen und möchte als Einstieg in den Blog zeigen, wie dies geschah. Vor allem, weil die Partie recht einfach zu kommentieren ist. Die Partie begann mit einer ruhigen Variante des Spaniers, in der Weiß im Normalfall einfach versucht, sich normal aufzubauen ohne gleich die schwarze Festung zu stürmen.
Barta, Ralph (1550) – Schmidt,Martin (2054)
1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bb5 a6 4. Ba4 Nf6 5. d3 d6
Nun begann mein Gegner den ersten Fehler. Mit 5…d6 stützt Schwarz den Bauern auf e5 und gibt somit den Springer frei. Weiß wollte nun die Läuferentwicklung nach g4 unterbinden und spielte:
6. h3?!
Prinzipiell ist die Idee richtig, aber nun bekommt Schwarz die Möglichkeit, eine der stärksten weißen Figuren zu eliminieren: den weißfeldrigen Läufer.
6… b5 7. Bb3 Na5 8. Be3 Nxb3 9. axb3
Der Computer bewertet diese Stellung mit 0.00, aber davon sollte man sich nicht blenden lassen. Schwarz hat ein leichteres Spiel, da der weiße Doppelbauer den im Spanier für Schwarz oft störenden Angriff mit a2-a4 verhindert und der weißfeldrige Läufer des Schwarzen eine wunderbare Diagonale bekommt. Der Zug h3 hat sich als Tempoverlust herausgestellt. Weiß steht nicht wirklich schlechter – aber Schwarz kann nun den Gang der Dinge diktieren und den Zeitpunkt für die Stellungsöffnung wählen. Doch zuvor musste ich mich für einen Zug entscheiden. Ich schwankte zwischen 9…Lb7 und 9…c5 und entschied mich schließlich für den flexibleren Zug. Der Läufer muss ohnehin nach b7.
9… Bb7 10. c4
Das hatte ich so befürchtet. Weiß attackiert sofort. Ich entschied mich für
10…b4
um dem Springer das Feld c3 zu verwehren. Allerdings sollte dieser Springer dem Schwarzen keine Angst einjagen. Mit ein wenig Überlegung ist die folgende Variante sehr plausibel – Schwarz entwickelt sich einfach weiter.
10… Be7 11. Nc3 O-O
Geht jetzt Weiß mit dem Springer auf das vermeintlich starke Feld d5, schlägt Schwarz einfach. Danach stehen ihm zwei Hebel (c6 und f5, je nachdem) zur Verfügung, um das weiße Zentrum zu springen und seine Läufer zur Geltung zu bringen. Zum Beispiel
12. Nd5 Nxd5 13. exd5 c6 14. dxc6 Bxc6 15. d4 bxc4 16. bxc4 e4 17. Nd2 d5 18. c5 Bb5 =/+
edit: Hier zeigt sich auch mal wieder, dass es keine gute Idee ist, Schachanalysen mitten in der Nacht durchzuführen. Dadurch entging mir, dass Weiß hier mit 12.cxb5 axb5 gefolgt von Sxb5 einen Bauern gewinnen kann. Glücklich wird er dadurch allerdings nicht. Schwarz öffnet mit d5 das Zentrum und bringt seine Läufer zum Einsatz.
Die Partie ging weiter mit:
11. Nbd2 c5 12. Nf1 g6 13. g4?=/+
Dies ist nun sicher ein Fehler. Weiß öffnet die eigene Königsstellung, ohne für den Angriff gerüstet zu sein. Springer und Läufer sind zu wenig.
13….Bg7 14. Ng3 O-O (14….h5 ist besser, um den Keim des weißen Vormarsches zu stoppen. Hier missachtete ich die goldene Regel, wenn man besser steht: Lasse so wenig Gegenspiel zu wie möglich.)
15. g5 Nd7 16. h4 f5 17. exf5? Schwarz hat durch einige ungenaue Züge den Vorteil wieder eingebüßt, aber jetzt stürzt sich Weiß in das offene Messer. 17.gxf6 e.p. lässt die Diagonale des Läufers geschlossen und hält die Stellung im Gleichgewicht. 17… gxf5 18. Nh5 f4 19. Bc1
Wie gewinnt Schwarz jetzt am klarsten? Lösung auf der nächsten Seite.
Erster! 🙂
Die Aufgabe wollte ich elegant mit 19…e4 20.dxe4 De8 lösen. Nach 21.Sd2 Lxe4 habe ich lustigerweise übersehen, dass 22.0-0 ein legaler Zug ist. Natürlich stünde Weiß aber nach 22…Lb7 immer noch völlig im Hemd.
Bei dem Gedrängel hier eine wirkliche Leistung 😉
Ja, mit irgendeiner Stellungsöffnung ist man hier recht gut dabei.
> Der Computer bewertet diese Stellung mit 0.00, aber davon sollte man sich nicht blenden lassen.
Wie “der Computer” die Stellung bewertet, wollte ich etwas genauer wissen: Houdini, Stockfish und der positionell starke Critter zeigen bei mir allesamt 0.00, Rybka sogar 0.15 für Weiß. Wäre mal interessant, warum die Rechner das so sehen und welche internen Bewertungen ihnen hier Ausgleich oder minimalen Vorteil anzeigen.
Das Läuferpaar ist ein latenter Vorteil für Schwarz, und ich kann mir kaum einen Spieler der Weltklasse vorstellen, der diese Position mit Weiß anstreben würde. Insbesondere dürfte es schwer werden, wenn Kramnik die schwarzen Steine führt.
Nunja, besonders viel passiert ist nicht und Weiß dürfte die Partie eigentlich halten… aber es wird halt schwer, da reicht (wie gesehen) ein Fehler und das ganze Ding kippt.
Die Rechner hätten allerdings halt andere Varianten der gespielten in jedem Fall vorgezogen. Ich glaube persönlich, dass der Mensch hier ein kleines Sichtweisenproblem hat und bei Gleichstand in der Eröffnung eher zur schwarzen Seite neigt – denn Schwarz hat schließlich bereits den Anzugsvorteil ausgeglichen, also “besser” gespielt.
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