In unserem letzten Beitrag rief unter anderem der Begriff des “Problemspringers” reges Interesse in unserer Leserschaft hervor, so dass dieses Thema noch ein wenig vertieft werden soll. Wie ein renommierter bayerischer Analytiker (bekanntlich ein anderes Wort für Po-litiker) schon vor Jahren in einer geistig tiefschürfenden und rhetorisch geschliffenen Rede ausführte, ist der von Tieren ausgehende Gefährdungsfaktor zweckmäßigerweise in drei Kategorien zu erfassen. Unser Bayern-Korrespondent Turgon demonstriert nun mit einem überzeugenden Partiebeispiel, dass sich diese Einteilung problemlos auch auf die Pferde übertragen lässt, mit denen wir Schachspieler es zu tun haben.
Klaeve,Mi – Turgon [A05], Neumünster 1983 [Turgon]
1.Sf3 Sf6 2.g3 b6 3.Lg2 Lb7 4.0–0 e6 5.d3 d5 6.Sbd2 Le7
Äh, natürlich freuen wir uns, das ist gar keine Frage, freuen wir uns, und die Reaktion war völlig richtig, ein, äh, sich normal verhaltendes Pferd auf dem Schachbrett zu haben. Äh, ja, das ist gar net zum Lachen. 7.Te1 [7.e4 dxe4 8.dxe4 0–0 (8…Sxe4? 9.Se5 Sd6? 10.Lxb7 Sxb7 11.Df3+-) 9.De2 Dc8 10.e5 Sfd7 11.Se4 ½–½ Shirov,A -Lautier,J/Biel 1992/(40)] 7…0–0 Äh, und das Pferd im Normalfall, ich muss mich ja auch, äh, Kasparow hat sich hier intensiv mit so genannten Experten ausgetauscht und austauschen, äh, müssen. Nun haben wir, das normal verhaltende Pferd steht auf f6, geht niemals raus und reißt vielleicht ein bis zwei Bauern pro Partie. Äh, wir haben dann einen Unterschied zwischen dem normal sich verhaltenden Pferd… 8.e4 dxe4 9.dxe4?! [9.Sg5=] 9…Sxe4
… dem Schadpferd… 10.Se5 [10.Sxe4!? Dxd1 11.Txd1 Lxe4 12.Lf4 =/+] 10…Sxf2!
…und dem Problempferd. Und, äh, es ist ganz klar, dass, äh, dieses Pferd, äh, ein Problempferd ist, und es ist im Übrigen auch, im Grunde genommen, durchaus ein gewisses Glück gewesen, es hat im 9. und 10. Zug praktisch diese Bauern gerissen. Und Gott sei Dank war auf f2, äh, also, jedenfalls ist das nicht bemerkt worden. Auf Grund von, äh, es ist nicht bemerkt worden. Stellen Sie sich mal vor, das war ja mittendrin, stellen Sie sich mal vor, der König wäre raus und wäre praktisch jetzt, äh, dem Pferd praktisch begegnet. [10…Sd6 11.Lxb7 Sxb7 =/+] 11.Kxf2? [11.De2 Lxg2 12.Kxg2 Lc5!? 13.Sdf3 =/+] 11…Lc5+–+ 12.Kf1?! [12.Ke2 Dd4 13.Se4 Dxe5–+] 12…Dd4 13.Sg4 Dg1+
Äh, was da hätte passieren können. 0–1
Vergnügliche Partie, würde ich sagen. Diesem Schadpferd möchte ich in freier Wild… äh… Schachlaufbahn auch lieber nicht begegnen.
Kleines Update: Ich habe die besagte Rede hier noch einmal verlinkt. Immer wieder schön!