Württembergisches Kandidatenturnier 2024

Das Württembergische Schachfestival fand dieses Jahr in abgespeckter Version (IM-statt GM-Turnier, kein offenes Turnier, keine Frauenmeisterschaft) zu einem etwas ungewöhnlichen Termin anfangs (statt Ende) der Sommerferien statt. Nachdem ich mich letztes Jahr zum ersten Mal für das Kandidatentuernier Qualifiziert hatte, wollte ich auch teilnehmen. Eigentlich hätte auch Martin mitspielen dürfen, dieser hatte aber bereits ein anderes Turnier im Kalender.

DWZ-mäßig war ich auf Platz 8 (von 24) gesetzt, mein Turnierziel war also einen der 6 Preisgeldränge zu erreichen. Falls es sehr gut laufen sollte, könnte auch einer der zwei Qualiplätze möglich sein.

Tag 1

Durch meine immer noch etwas niedrige ELO ging es für mich in Runde 1 ans vorletzte Brett. Es wurde zwar nicht ganz der erhoffte kurze Erstrundensieg, aber ich konnte mir ausgangs der Eröffnung einen leichten Vorteil erspielen und diesen schrittweise bis zum Sieg ausbauen.

Tag 2

In der zweiten Runde ging es dann gegen den späteren Turniersieger. In meiner Vorbereitung entdeckte ich eine Variante, die gut gegen meinen normalen Aufbau im Franzosen ist, aber “die spielt sowieso keiner”. Blöderweise hatte mein Gegner genau diese Variante vorbereitet… So durfte ich dann die ganze restliche Partie eine schlechtere Stellung irgendwie zusammen halten. In Zeitnot bekam ich dann sogar kurzzeitig Ausgleichschancen, die ich aber nicht packen konnte. Nach der Zeitkontrolle war meine Stellung dann glatt verloren und ich gab kurz darauf auf.

Tag 3

Zur Belohnung ging es dann in Runde drei gegen den Drittgesetzten. Ich kam gut aus der Eröffnung und sah bereits ein Figurenopfer mit einigen schönen Varianten, die alle mit Matt oder Materialgewinn für mich endeten. Zu meiner Freude lief mein Gegner genau in diese Variante – und machte drei Züge später einen Verteidigungszug, den ich leider übersehen habe. Damit war die Figur einfach weg und auch ein weiteres Qualitätsopfer meinerseits brachte letztendlich nichts. Mit einer Dame allein lässt sich eben schwer Matt setzen. Damit stand ich nun bei 1/3 und die beiden Qualiplätze waren auf einmal sehr weit weg.

In der Nachmittagsrunde war Wiedergutmachung angesagt. Mein Gegner war zwar DMZ-mäßig weit unter mir gesetzt, aber die war noch aus Kindheitstagen und seine frisch erspielte ELO von über 1900 war wohl aussagekräftiger. Gegen seinen kreativen Caro-Kann stand ich schnell etwas besser. Durch eine Fesselung konnte ich dann Material gewinnen bei weiterhin besserer Stellung. Nachdem ich einen kurzen Schreckmoment überlebt hatte, war der Sieg dann unter Dach und Fach.

Tag 4

In Runde 5 überraschte mich dann mein Gegner in einem Engländer dann mit Weiß mit dem Aufbau, den ich normalerweise mit Schwarz spiele. Was macht man dagegen? Genau! Einfach das spielen, was Weiß normalerweise spielt. Der Plan ging auf und ich kam gegen Ende des Mittelspiels zu stabilem Vorteil. Doch in Zeitnot schuf mein Gegner fast aus dem Nichts Gegenspiel. Nach beiderseitigen Ungenauigkeiten stand nach dem 40. Zug auf einmal ein ausgeglichenes Endspiel auf dem Brett. Mithilfe eines kleinen taktischen Tricks konnte ich aber in ein Läufer + 3 Bauern vs Turm – Endspiel abwickeln. Das war zwar bei genauestem Spiel Remis, aber mein Gegner hieß zum Glück nicht Stockfisch oder Carlsen, sodass ich das noch zu einem Sieg biegen konnte.

Tag 5

Die nächste Runde war dann zum Glück etwas entspannter. Mein Gegner spielte eine fragwürdige Eröffnung , so dass ich nach meiner vorbereiteten Variante eigentlich schon auf Gewinn stand. Ich hatte zwar nur einen Bauern mehr, aber dafür waren alle seine Figuren passiv (zwei konnten sogar wirklich gar nicht ziehen) und er hatte kaum Raum. Beim Übergang ins Enspiel konnte ich dann der Partie noch ein hübsches Ende geben.

Tipp

Damenopfer

Durch die drei Siege in Folge war ich auf einmal wieder in die Nähe der Qualiplätze gerutscht. Da ich durch die frühen Niederlagen aber eine miserable Zweitwertung hatte war aber klar, dass für einen Qualiplatz 3 Siege her mussten. Auch mein Gegner in der siebten Runde war noch in Schlagdistanz zur Spitze und hätte mit einem SIeg ordentlich Boden gut machen können. Also alle Anzeichen auf eine scharfe Partie mit einem Sieger am Ende. Die Partie war aber leider genau das Gegenteil. Ein bisschen strategisches hin und her, ohne das wirklich etwas passiert und Remissschluss im 20. Zug.

Tag 6

Somit waren die zwei Qualiplätze für mich außer Reichweite, aber ich befand mich immer noch mitten in den Preisrängen. In der vorletzten Runde hatte ich dann die Chance, meine Eröffnung aus Runde zwei noch einmal zu spielen, dieses mal aber korrekt. Das half mir aber nicht viel, da ich nach der Eröffnung Zug um Zug überspielt wurde. Aus einer unangenehmen Stellung wurde eine schlechtere und schließlich eine glatt verlorene. Das ganz ohne einen wirklichen Fehler zu machen, nur 3-4 kleine Ungenauigkeiten. Ich war einfach an diesem Tag der schlechtere Spieler.

Tag 7

Jetzt musste ich die letzte Runde gewinnen, um noch in die Preisgeldränge zurück zu kommen. Das galt glücklicherweise auch für meinen Gegner und dieses mal sah man es der Partie auch an. Die Eröffnungsvariante meines Gegners kam zwar überraschend, aber ich hatte sie mir vor 1-2 Jahren mal angeschaut, sodass ich den Aufbau und die Pläne noch gut kannte. Die Spannung im Zentrum ließ ich bewusst einfach stehen, um meinem Gegner jeden Zug daran rechnen zu lassen. Die Öffnung seinerseits war dann eher besser für mich und auch in den folgenden taktischen Verwicklungen behielt ich den besseren Überblick, sodass ich die Partie und damit auch das sechste und letzte Preisgeld gewinnen konnte.

Fazit:

Alles in allem war das Turnier gut, aber nicht überragend. Wenn man die ausgestiegenen weglässt, sind alle DWZ-stärkeren vor mir und die schwächeren hinter mir gelandet, also wortwörtlich im Rahmen der Erwartungen. Auch die 5.5/9 waren genau meine (aufgerundete) DWZ-Erwartung. Immerhin konnte ich endlich meine ELO über 2000 heben.

Der Turniersieg wurde letztlich in einem spannenden Fernduell in der letzten Runde entschieden. Drei Spieler hatten 6/8, hatten aber alle schon gegeneinander gespielt. Narr konnte gewinnen, während Seitz überzog und somit Wartlick ein Remis für Platz zwei reichte.

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