In der Verbandsliga gab es endlich mal wieder ein paar vorzeigbare Partien. Mehr als das, einige waren sogar richtig stark. Im Folgenden zeige ich einige Schnappschüsse. Wer mehr sehen möchte, bekommt dazu auch noch die Gelegenheit: Am 29.11. werden im Spiellokal die interessantesten der bis dahin gespielten Partien vorgeführt.
Wir beginnen mit Nils, unserem Jüngsten:
Nils hatte auf recht originelle Weise seine Figuren gegen den weißen König in Stellung gebracht und vor allem g3 ins Visier genommen. Um dies abzufedern, hätte Weiß am besten seinen Springer nach e5 gestellt. Stattdessen wollte er mit 15.Sg5? den Le4 ausräuchern, ermöglichte damit aber erst recht den Einschlag 15…Lxg3! Fatal wirkt sich für den Weißen der ungedeckte Lc3 aus, wie die Abspiele 16.fxg3 Dxg3+ 17.Lg2 Lxg2 18.Dxg2 Dxe3+ und 16.Sxe4 Sxe4 zeigen. In der Partie folgte 16.f3 Lxh4! mit Gegenangriff auf den Sg5, wonach Schwarz einfach zwei Bauern mehr hatte.
Ansonsten kam besonders Martin auf sehenswerte Weise zum Erfolg. Die ganze Partie war einfach astrein und lohnt eine nähere Betrachtung. Filigran war z.B. schon, wie Martin vor der Diagrammstellung unter Bauernopfer den Angriff des Gegners ausgebremst hatte. Er selbst kam nun hingegen mit dem Einschlag 21…Txc2+! zum Zuge, wonach Weiß die Dame geben musste. Nach 22.Kxc2 Tc8+ 23.Kd2 b3+ 24.Dc3 Txc3 25.bxc3 bxa2 entschied der vorgerückte Freibauer den Tag.
Druckvolles Angriffsspiel gab es auch bei Kai zu bestaunen. Unser dritter Schwarzsieg! In der Diagrammstellung musste sich Weiß um den Bf2 kümmern und sich auch um den Kollegen auf c4 Gedanken machen. 22.Kb1 wäre sicherlich die beste Option gewesen, denn es droht ja dann erst einmal die Gabel auf d7. Der Gegner wählte aber das schon optisch weniger gefällige 22.Thf1? und musste nach 22…La3 23.Da1 Tfe8 24.Tde1 f6 25.Sd7 Dd6 26.Lf5 dxc4 den Zusammenbruch seiner Stellung mitansehen.
Bei Jörg waren ruhigere Töne angesagt, aber es war dennoch eine feine Partie. Hier steht Weiß mit der aktiveren Leichtfigur auf jeden Fall besser, müsste normalerweise aber noch hart für den Sieg arbeiten. Das ungeschickte 23…Kf7? erlaubte jedoch das schöne Manöver 24.Df2!, was nicht nur a7 angreift, sondern auch 25.Lxf6 nebst 26.Dh4+ droht. Der Gegner fand nichts Besseres (es gab auch nichts) als 24…Te8, wonach Jörg natürlich tauschte und sich a7 einverleibte. Der Rest war saubere Technik.
Von den Verlustpartien will ich dem Leser nur noch den entscheidenden Moment aus meiner Partie zumuten. In der etwas unübersichtlichen Diagrammstellung war für mich schon gefühlsmäßig klar, dass 23.Tac1 kommen muss und die Berechnung ergab auch nichts anderes. In allen Varianten hat Weiß mindestens Ausgleich und ich habe eigentlich auch alles gesehen, z.B. 23…Sxa2 24.Tc2, 23…e4 24.Sxe4! oder 23…Sb5 24.Lb4 Lh6 25.La5! Irgendwie erschien mir 23.Lb4? dann aber “noch einfacher”. Es droht ja 24.La5 und der Sc3 ist auch angegriffen, was soll also Schlimmes passieren? Tja, es passierte etwas sehr Schlimmes, nämlich 23…Tb8! und aus. Es geht einfach nichts mehr, denn ich hänge in der b-Linie durch und nach 24.Lxc3 Txc5 sind beide Läufer angegriffen. Ärgerlich, auf diese Weise “einzügig” zu verlieren, aber das hätte man halt sehen müssen…
Schöner Bericht. Finde ich jetzt auch ganz persönlich und so^^
Lustig, dass ja anscheinend viele gedacht haben, dass ich schnell verlieren würde (ich gebe ja zu, dass mir die Stellung ausgangs der Eröffnung auch einiges an Kopfzerbrechen bereitet hat… aber tatsächlich wurde auch mein g5 bereits einmal gespielt). Sowohl Jörg als auch Kai haben mich hinterher darauf angesprochen und auch in dem Biberacher Bericht (http://biberach-riss.schachvereine.de/php/berichte.php?saison=1314&mannschaft=1#TGBiberachI-SGKKHohent%C3%BCbingenI) steht so etwas. Nach Analyse mit dem Computer und ein wenig sacken lassen bin ich tatsächlich der Meinung, dass es die beste Partie war, die ich je gespielt habe.
Glückwunsch an Kai, schön, dass es schachlich wieder aufwärts geht!
> Wer mehr sehen möchte, bekommt dazu auch noch die Gelegenheit: Am 29.11. werden im Spiellokal die interessantesten der bis dahin gespielten Partien vorgeführt.
Ist es möglich, die ganze Partie Weiß – Schmidt auch hier zu veröffentlichen? Wenn kommentieren zu viel Arbeit macht, ist unkommentiert auch in Ordnung.
> Irgendwie erschien mir 23.Lb4? dann aber “noch einfacher”. Es droht ja 24.La5 und der Sc3 ist auch angegriffen, was soll also Schlimmes passieren?
Der alte Konflikt zwischen Verstand und Gefühl, den es natürlich auch beim Schach gibt.
Züge, die krumm aussehen, sind halt oft auch nicht gut (außer bei Morosewitsch). Der Verstand – Variantenberechnung – sagt, 23.Lb4 ist ok, das Bauchgefühl spricht eher dagegen. Aus eigenen Partien weiß ich, dass ich mein Bauchgefühl auf jeden Fall ernst nehmen muss.
Viel Erfolg in der nächsten Partie!
Hier, bitte. Ich denke, einen eigenen Artikel dazu werde ich nicht schreiben, aber das sollte reichen – oder?
[Event “Verbandsliga Süd”]
[Site “?”]
[Date “2013.09.29”]
[Round “1”]
[White “Weiß, Oliver”]
[Black “Schmidt, Martin”]
[Result “0-1”]
[ECO “A48”]
[WhiteElo “2169”]
[BlackElo “2078”]
[Annotator “Schmidt,Martin”]
[PlyCount “76”]
[EventType “team”]
[EventRounds “9”]
[WhiteTeam “TG Biberach 1”]
[BlackTeam “SG KK Hohentübingen 1”]
1. d4 Nf6 2. Nf3 g6 3. Bg5 Bg7 4. Nbd2 c5 5. Bxf6 Bxf6 6. Ne4 Bxd4 7. Nxd4 cxd4
8. Qxd4 O-O 9. O-O-O Qa5 10. Nc3 Nc6 11. Qd2 d6 {Soweit noch alles logisch.
Houdini zeigt Ausgleich an, aber hier kommt es ja auch nicht so sehr auf
konkrete Züge an, sondern auf die Frage, welcher Angriff schneller ist.} 12. h4
Be6 {Vor dem Zug habe ich lange gegrübelt, aber es hat sich gelohnt: Er ist
tatsächlich gut. Allerdings habe ich an einer ganz anderen Variante überlegt…
} 13. h5 g5 {Der ist tatsächlich in Ordnung – ich bin selber überrascht.} (
13… Ne5 {War der Zug, an dem ich lange überlegt und ihn schließlich doch
verworfen habe, weil er mir zu gefährlich erschien.} 14. e4 {Und Weiß steht
laut Houdini leicht besser, Schwarz muss hier anscheinend genau spielen.}) (
13… Bxa2 {Houdini nimmt. Das war mir dann doch zu riskant.}) 14. h6 f6 15. f4
b5 (15… Bxa2 {Ist wiederum möglich…}) 16. Qe3 {Mein Gegner kritisierte den
Zug, aber er ist der einzige, der die Balance hält} Bf7 17. fxg5 {Mit
Remisangebot – genau in dem Moment, in dem die Partie kippt} b4 18. Ne4 (18.
Nb1 {Verteidigt noch. Das Endspiel nach…} Qxg5 {(Vermutlich gibt es nichts
besseres)} 19. Qxg5+ fxg5 {Ist ein klein wenig besser für Schwarz}) 18… f5
19. Ng3 Rac8 $1 {Ein stiller Zug, der einfach den Angriff verstärkt und
tatsächlich der beste ist. Ich bin überrascht} 20. Rh4 Ne5 21. Nxf5 Rxc2+ 22.
Kxc2 Rc8+ 23. Kd2 b3+ 24. Qc3 Rxc3 25. bxc3 bxa2 (25… Qxa2+ 26. Ke1 b2 {Hier
habe ich die Varianten durcheinander geschmissen. Ich dachte, nach Sxe7 und g6
kriegt Weiß eventuell Gegenspiel – nein, da sind schließlich Springer und
Läufer drauf. In der Hauptvariante habe ich das gesehen.} 27. Rb4 Bb3) 26. Rb4
Nc6 27. Nxe7+ Nxe7 28. Rb8+ Be8 29. Rxe8+ Kf7 30. Rxe7+ Kxe7 31. Ra1 Qxg5+ 32.
e3 Qd5+ 33. Kc2 a5 $1 {Am klarsten. Die Drohung ist einfach a4} 34. c4 Qe4+ 35.
Bd3 Qxg2+ 36. Kb3 Qd2 37. Bxh7 (37. Bc2 a4+ 38. Kb2 a3+ 39. Kb3 Qxe3+ 40. Kb4
Qxh6) 37… a4+ 38. Ka3 Qc3+ 0-1
Danke für das Veröffentlichen der Partie.
Diskutieren kann man evtl. über die Anmerkung zum 17. weißen Zug: “Mit Remisangebot – genau in dem Moment, in dem die Partie kippt”. Man kann es auch anders sehen: nämlich dass die Partie hier kippt, *weil* Weiß Remis anbietet und sich eine Ablehnung einfängt.
Dass der Rechner hier den menschlichen Zug 19… Tac8 tatsächlich als bestes ansieht (und nicht etwa irgendwelche Bauern schlagen will), überrascht mich auch ein bisschen.
In der Tat ist die Partie ganz gut gelungen.
Eine Anmerkung zum virtuellen Artikel “Verbandsliga 2013/14” (4), von Michael habe ich mir die eine oder andere Partie vom Spiel in Ebersbach telefonisch durchgeben lassen. Da war in der Tat einiges los.
Über Michaels Aussage “Lauritz hat keine Angst” habe ich mich mit am meisten gefreut. In der Tat wird eine mutige Spielanlage oft belohnt, da der Verteidiger häufiger Fehler macht als der Angreifer (-> Michail Tal u.a.).
@Matthias: wann gibt’s mal wieder Drachen? 🙂
Ihr habt als Mannschaft zwar das Potential, in der Tabelle oben mitzuspielen, aber “es genügt nicht, ein guter Spieler zu sein, man muss auch gut spielen”. Viel Erfolg in der nächsten Runde!
Hier noch ein musikalischer Weihnachtsgruß von Georg Kreisler: “Weihnachten ist eine schöne Zeit”.
http://www.youtube.com/watch?v=uev-ABItVtk