Maltesische Siegesserie (4)

Die letzte Partie gefällt mir am besten, nicht nur wegen ihrer sportlichen Bedeutung. Wie mein Gegner trotz seines Materialvorteils völlig hilflos dastand, war schon ganz lustig. Kurios auch mein Stimmungswandel, während ich über meinen 25. Zug nachdachte. War ich zunächst eher noch um Ausgleich besorgt, sah die Stellung bei näherer Betrachtung immer besser aus, was schließlich im Gedanken “huch, ich stehe auf Gewinn!” kulminierte.

Hernandez Munoz,Antonio Ramon – Schwerteck,Michael

Malta Open (9.5), 19.11.2016 [Schwerteck,Michael]

1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.g3 Mein Gegner liebt dieses “Katalanisch für Arme”. Im Vergleich zur “Vollversion” (3.c4 e6 4.g3) werden ein paar scharfe Varianten vermieden, aber der große Nachteil ist, dass der Lc8 bequem entwickelt werden kann.

3…c6 4.Lg2 Lf5 5.0–0 e6 6.c4 h6 7.Sc3 Ld6?! Ein wirklich dummer Zug, der aber vielleicht dazu beitrug, dass mein Gegner mich in der Folge unterschätzte. Vorbereitet war eigentlich das korrekte 7…Le7, aber dann beschloss ich spontan, den Läufer “aktiver” zu entwickeln.

8.Sd2! Irgendwie hatte ich diese Idee vergessen, obwohl ich sie mir angeschaut hatte.

8…0–0 9.e4 dxe4 10.Sdxe4 Sxe4 11.Sxe4 Le7

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Normalerweise ist in dieser schon häufig vorgekommenen Stellung Schwarz am Zug. “Geht ja schon wieder gut los”, dachte ich mir, aber mein Gegner produzierte erst einmal drei mysteriöse Züge hintereinander.

12.Le3?! Das aktive 12.Lf4 mit weißem Vorteil lag doch auf der Hand (12…Sd7 13.Sd6).

12…Sd7 13.h3?! Habe ich auch nicht verstanden.

13…Sf6 14.f3?! Und das sieht vor allem in Verbindung mit h3 scheußlich aus. Weiß sperrt seinen Lg2 ein und schwächt g3. Beides wird noch zu seinem Untergang beitragen.

14…Dc7 14…e5!? mit der Idee 15.dxe5 Sxe4 16.fxe4 Le6 war auch interessant. Weiß steht so schrottig, dass er an seinem “halben” Mehrbauern wenig Freude haben wird.

15.Kh2 Tad8 Vielleicht hätte ich besser den anderen Turm genommen, aber es ist bekanntlich sowieso immer der falsche. Der Computer sieht mich so oder so schon leicht im Vorteil. Im Prinzip spiele ich ein normales Caro-Kann und mein Gegner ein weniger normales Kuddelmuddel.

16.Da4 a6 Okay, auch nicht sehr ästhetisch, aber der latent hängende Bauer nervte und die Schwäche von b6 glaubte ich im Griff zu haben. Als Alternative habe ich mir neben 16…b6 (was auch ein bisschen schwächt) vor allem 16…e5!? überlegt. Mir war nicht ganz klar, für wen die Stellungsöffnung günstiger ist, aber schlecht stehe ich gewiss nicht.

17.Db3 Td7 Der Computer schlägt in dieser Phase immer wieder Sh5 vor, um f4 herauszukitzeln und damit sowohl Lf4 zu verhindern als auch den Se4 zu destabilisieren. Ich habe das auch erwogen, konnte mich aber nicht dazu durchringen, auf diese Art seinen Lg2 zu befreien.

18.Tfd1 Tfd8?! Den d5–d6–Durchbruch habe ich zugegebenermaßen zu oberflächlich berechnet, sonst hätte ich wahrscheinlich mit 18…b5!? angefangen (eine bekannte Caro-Kann-Idee).

19.Tac1 Hier ging auch schon 19.d5!? mit wahrscheinlich ähnlichen Folgen wie in der Partie.

19…b6

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20.d5 Erst hier wurde mir klar, dass er auf Qualitätsgewinn spielen konnte (ich hatte nur die Idee d6 Lxd6 Sxf6+ geprüft, wonach aber immer g3 hängt). Zum Glück war es nicht so schlimm.

20…c5 21.d6 Txd6! Unbedingt so, da ich den schwarzfeldrigen Läufer brauche, um gegen g3 zu drücken. Mein Gegner hatte wohl nur das schwächere 21…Lxd6 22.Sxd6 Txd6 23.Lf4 erwartet und schrieb sogar zunächst “Axd6” auf, bevor er merkte, dass da kein “alfil”, sondern ein “torre” stand. Irgendwie schien ihn das aus der Bahn zu werfen.

22.Lf4? Ein schwerer Fehler, da der Abtausch dieses Läufers überhaupt nicht im weißen Interesse liegt. Kritisch ist natürlich 22.Sxd6 Lxd6, wonach Schwarz einen Bauern und aktives Spiel für die Qualität hat. Am Brett war ich mir nicht ganz sicher, aber der Computer sieht vollwertige Kompensation für mich.

22…Lxe4 23.fxe4 Sh5 Jetzt verbleibt Weiß mit den falschen Figuren.

24.Lxd6 Lxd6 25.Td3

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25…Le5! Ich brauchte selber ein Weilchen, um mein Glück in vollem Umfang zu erfassen, aber Schwarz hat bereits enormen Vorteil, wahrscheinlich sogar eine Gewinnstellung! Abgesehen davon, dass mein Läufer ein Monster ist (was man von seinem nicht behaupten kann), hat Weiß erhebliche Schwierigkeiten, g3 zu decken.

26.Tf3? Behält zwar das Material, lässt aber meinen Turm eindringen, was noch schlimmer ist. 26.Tcd1 hilft wegen der Überlastung nach 26…Lxg3+ 27.Txg3 Txd1 auch nicht. Der Computer schlägt noch die verzweifelte Maßnahme vor, mit T(c)c3 (sofort oder nach Tausch auf d8) die Qualität zurückzugeben (mit gesundem Minusbauern), aber ich muss nicht einmal nehmen.

26…Td2 27.Tb1 Furchtbar passiv; das kann nicht gutgehen.

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27…Dd6! Mit der tödlichen Drohung Sxg3 nebst Td3. Das Spiel ist aus! Weiß ist mausetot! Wer hätte das vor wenigen Zügen gedacht?

28.De3 Sxg3 29.De1 29.Txg3 Td3–+

29…Sxe4+ 30.Kg1 Dd4+ 31.Kf1 31.Kh1 ist etwas zäher, aber Schwarz hat tausend gute Möglichkeiten und alle Zeit der Welt. Ganz lustig ist z. B. 31…Lc7!? nebst 32…Dd6/e5.

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31…Lh2! Autsch, jetzt wird es richtig teuer.

32.De3 Dxe3!? Selbstverständlich war 32…Dxc4+ 33.Ke1 Txg2 objektiv viel stärker (wer es genau wissen will: Matt in 14), aber angesichts eines trivial gewonnenen Endspiels und relativ knapper Bedenkzeit (ein Abendessen stand diesmal nicht auf dem Spiel, da die letzte Runde um 10 Uhr begann) war mir das herzlich egal.

33.Txe3 Tf2+ 34.Ke1 Txg2 35.Kd1 f5 35…Sf2+ gewinnt sogar noch forciert eine Qualität. Zwei Leichtfiguren und drei Bauern für einen Turm sind aber auch schon narrensicher.

36.a4 Lf4 37.Te2 Tg1+ 38.Kc2 Txb1 39.Kxb1 Kf7 40.Kc2 g5 41.Te1 h5 42.a5 bxa5 43.Ta1 g4 44.hxg4 hxg4 45.Txa5 g3 46.Txa6 g2 47.Ta1 Lh2

0–1

2 Kommentare

  1. Auch wenn sich das Positionsverständnis des Weißspielers spürbar in Grenzen hält: mal wieder eine gute Partie von Dir!

    Die Stellung nach 25… Le5 ist definitiv deutlich besser für Schwarz, was vor allem am Qualitätsunterschied der Läufer e5 und g2 liegt.

  2. “…mal wieder eine gute Partie von Dir”: Lese ich zwischen den Zeilen zu Recht das Wort “endlich”? 🙂

    Übrigens diagnostiziert der neueste Rechenknecht Houdini 5 nach 25…Le5 tatsächlich schon eine glatte Gewinnstellung (ca. -2). Selbst die Rückgabe der Qualität ergibt offenbar keine Rettungschancen, weil es noch stärkere Fortsetzungen gibt, als zu nehmen (was auch technisch gewonnen sein sollte). Die Hauptvarianten beginnen mit 26.Tcc3 Txd3! 27.Txd3 b5! bzw. 26.Txd8+ Dxd8 27.Tc3 Dg5! mit der Idee 28…Sxg3 nebst h5-h4.

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