WEM in Grunbach (2) (Runden 2&3)

Was für ein Tag! Weniger wegen der Partie – die habe ich nach einigen strategischen Patzern von Meschke vergleichsweise einfach gewonnen. Nach dreieinhalb Stunden ging es zur S-Bahnhaltestelle, froh darüber, endlich einmal vergleichsweise früh zu Hause zu sein. Und dann standen die Räder still… Streik. Mit einer Kombination aus Taxi und U-Bahn habe ich mich zum Hauptbahnhof Stuttgart durchgeschlagen und noch den (bereits dreißig Minuten verspäteten) IRE nach Tübingen bekommen. Kurz vor dem Bahnhof Reutlingen stand der dann wegen eines Defektes ebenfalls still. Am Ende war ich um halb elf in Tübingen – drei Stunden später als gedacht. Hoffentlich war es das erst einmal, sonst kann ich die WEM wohl hinschmeißen.

Bevor ich zu der heutigen Partie komme, möchte ich noch den kritischen Moment aus der Partie von gestern gegen Latzke nachreichen. Aus der Eröffnung heraus stand ich unbequem, konnte mich aber gefühlt schon ein bisschen befreien. Nach dem 23.Zug von Weiß stand ich wohl so gut wie nie in der Partie.

Latzke, Boris Alexander – Schmidt, Martin

nach 23.Lf2

nach 23.Lf2

Schwarz hat einen starken Läufer und einen guten Springervorposten und sollte eigentlich ausgeglichen stehen. Der einzige Schwachpunkt ist der angegriffene Bauer auf c7. Um das zu beheben und den Vorposten zu stützen, wäre hier 23…c5! meiner Meinung nach angebracht gewesen. Danach ist zwar d6 rückständig, aber Weiß kann das nicht gut ausnutzen, da der Bauer über die Linie nicht angreifbar ist.

Ein Knaller wäre wohl auch 23…Dxf3 gewesen (wegen 24.gxf3 Sxf3+), aber nach 24.Txe6 steht Schwarz leider auf Verlust. Ich zog

23…Sf5 und beraubte mich so erst einmal des starken Vorpostens. Nach 24.Tae1 c6 25.Sc3 wollte ich eigentlich 25…c5 spielen, um dann wieder den Springer nach d4 zu beordern. Völliger Murks, wäre aber in Ordnung gewesen als Idee. Leider kommt dann allerdings 26.Dd5 und Schwarz hat Probleme. Also drehte ich die Zugreihenfolge um, im Glauben dass 25…Sfd4 26.Txd4 Sxd4 27.Txe8 Sxf3 28.gxf3 Txe8 schon nicht so schlimm sei. Eine Fehleinschätzung. Wie Weiß gewann, kann auf der Turnierhomepage nachgespielt werden.

Heute also gegen Andreas Meschke. Bei der Vorbereitung stieß ich auf seine Partie gegen Höglauer von der letzten WEM, bei der er sich im Spanier mit f6 und d6 einigelte – und fast genauso kam es gegen mich.

Schmidt, Martin – Meschke, Andreas

nach 9.Sbd2

nach 9.Sbd2

Bisher steht ein normaler Spanier auf dem Brett, auch wenn mir in dieser Variante Lg4 nicht ins Konzept passt. Aber ab jetzt begannen sich die schwarzen Springer zu verirren…

9…Sfd7 10.h3 Lh5 11.Sf1 Nun geht 11…f5 nicht wegen 12.exf5 Txf5?? 13.g4. 11…Sc5 12.Lc2 f6 13.Sg3 Lf7 und Schwarz steht wunderschön eingeigelt

nach 13...Lf7

nach 13…Lf7

Sf5 sofort sieht verlockend aus, aber noch verlockender erschien es mir, mit

14.d4 Sd7 (14…Se6?? 15.d5 und Gabel) 15.d5 Sa7 die schwarzen Springer auf noch traurigere Felder zu jagen. 16.Sf5 Te8 17.Seh4

Hier habe ich mich später ein wenig geärgert, nicht 17.Sxe7 gespielt zu haben, denn in der Partie standen sich die Springer auf den Füßen. Allerdings kommt der andere Springer nach 17…Dxe7 18.Sh4 g6 nicht mehr nach f5 und man sollte ja auch eigentlich keine Figuren abtauschen im Raumvorteil, schon garnicht Springer auf f5 gegen eingemauerte Läufer auf e7.

17…Lf8 18.Dg4 Kh8 19.Le3 Sc8 und nun investierte ich wieder ein wenig mehr Zeit

nach 19....Sc8

nach 19….Sc8

Am Königsflügel komme ich nicht vernünftig weiter, aber den Damenflügel gibt es ja auch noch. Ich versuchte, Schwäche zu provozieren

20.La4 Nun drohen Abzüge des Springers f5 20…b5 21.Lc2 Ich bin mir nicht sicher, ob diese Schwächung objektiv das Tempo wert war, aber am Ende entschied sie die Partie. 21…Sdb6 22.b3 22.a4 sah verlockend aus, aber noch ist Weiß nicht so weit. 22…Se7 23.Sxe7 endlich kriege ich meinen Sh4 ist Spiel 23…Dxe7 24.Sf5 Dd8?! 25.Ld3

nach 25.Ld3

nach 25.Ld3

Die weißen Läufer stehen einfach bockstark. Der letzte schwarze Zug war nicht so gut (25…Dd7 mit der Idee g6 wäre besser gewesen), aber jetzt folgt wohl der eigentlich Fehler

25…Sc8? Das ist im wesentlichen eines – zu langsam. Kurzzeitig ist jetzt die Koordination des Schwarzen noch mehr gestört als ohnehin schon. Nach 26.a4 Tb8 27.axb5 axb5 28.De2 verliert Schwarz mindestens einen Bauern (28…Dd7 29.Ta5 und auch taktisch scheint jetzt nichts mehr zu gehen). Mit 28…b4 29.Lb5 entschied sich Meschke die Qualität sofort zu geben, aber elf Züge später und einen ganzen Turm weniger gab er dennoch auf.

Zwischenfazit: Bisher gefällt mir mein Spiel eigentlich ganz gut. Brilliant ist zwar anders, aber ich habe derzeit nicht mehr die taktischen Aussetzer, die mich noch in Reutlingen ausgezeichnet haben. In der nächsten Runde spiele ich gegen Frank Amos – hoffentlich ist danach auch der Verkehr ein bisschen besser als heute.

 

Ein Kommentar

  1. Danke für die ausführliche Berichterstattung trotz Reisestress! Die Partie Latzke-Schmidt war übrigens auch der Tübinger Lokalpresse eine Meldung wert. Latzke-Zuferi wird wahrscheinlich weniger gefeiert werden, auch wenn es eine tolle Partie von Schwarz war.

    Strategielektion des heutigen Tages: Spiele im Spanier nie Lg4, wenn Weiß sich mit d3 aufbaut. Ich weiß nicht viel über die Eröffnung, aber so viel weiß ich.

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