Eindrücke von der BW-Endrunde

Ende Juni nahmen zwei unserer Mannschaften (U14, U16) an der Baden-Württembergischen Endrunde teil (Bericht auf https://koenigskinder-hohentuebingen.de/news.php?id=183). Ich war als Betreuer und Trainer vor Ort und habe in der Funktion ein paar Partien gesammelt, von denen ich gute und lehrreiche hier zeigen möchte. Dafür wird sogar kurz die Sommerpause des Schachblogs unterbrochen.

Ich reiste erst am Samstag an und die erste Partie ist von der U 14 am Samstagmorgen. Nach der Auftaktniederlage musste gegen den schwächsten Sasbach ein Sieg her. Und die Stellung von Martin Häcker ließ auf einen guten Beginn hoffen:

Stortz,Henrik (804) – Häcker,Martin (1021)nach 40.Kf2

Martin spielte
40…Te8
und nachdem der Gegner mit
41.Te1+ Kd7 42.Txe8 Kxe8 43.g3?! Kf7 44.gxf4? gxf4 die Türme tauschte, war das entstehende Bauernendspiel dank der weit vorgerückten schwarzen Bauern gewonnen. Viel stärker wäre dagegen 40…d4 gewesen. Schlägt nun Weiß auf d4, dringt der schwarze König ein, notfalls unter einem weiteren, vorübergehenden Bauernopfer. Also 41.Ke1, aber jetzt zwingt Schwarz Weiß praktisch zum schlagen mit 41…Td7, womit der Turm gedeckt ist. Weitergehende Analysen überlasse ich dem Leser.

In der dritten Runde musste Marius Hurm gegen Lars Kasüschke beim Stand von 1,5-1,5 unbedingt gewinnen, um die Qualifikationschancen aufrechtzuerhalten. Die Stellung sah allerdings nicht danach aus:

Kasüschke,Lars (1405) – Hurm,Marius (1650)

nach 29...Da7

nach 29…Da7

Mit dem letzten Zug hat Schwarz eine nicht besonders versteckte Drohung aufgestellt, aber Weiß kann sie leicht abwehren (Kh1, De3 bieten sich an) und dann seinen Positionsvorteil in einen Punkt umwandeln. Besonders der schwarze Läufer macht eine traurige Figur. Weiß reagierte jedoch mit einem Gegenangriff, denn schließlich hängen nach
30.g4? Txb5+
gefolgt von 31.Kh1 ja zwei schwarze Figuren. Dumm nur, dass Schwarz, nachdem er den Turm sichert (Frage: Wie am besten? Lösung unten), gefolgt von 31.gxh5 Sxh5 trotzdem in Vorteil ist. Seine Krücke auf h5 hat er gegen den gegnerischen Mehrbauern und einen bald auf f4 auftauchenden Springer eingelöst. In der Partie blieben diese Varianten hinter den Kulissen, da Weiß seine Dame anfasste und aufgab, da er nun eine Figur verliert. Einfach ist die Stellung danach aber trotz Mehrfigur nicht zu spielen.
Anmerkung: Abschnitt geändert, danke an mattovsky

Im wichtigen Kampf gegen Baden-Baden war der Auftakt durch Martin verheißungsvoll. In einem zuerst ruhigen Italiener erreichten die Kontrahenten folgende Stellung

Häcker,Martin (1021) – Schuster,Benjamin (1385)

nach 10.Lh4

nach 10.Lh4

Hier beging der Baden-Badener Harakiri:
10…g5? 11.Sxg5!
Nun hätte 11…hxg5 zu einer verlorenen Stellung geführt, in der Weiß jedoch erst einmal ein paar gute Züge hätte finden müssen. Nach
11…b4 machte Weiß jedoch kurzen Prozess:
12.Sxf7 De7 und nun hätten 13.Sxe5+ oder 13.Sd5 die Partie sofort beendet. Nach
13.Sxh6+ Kh8 14.Sd5 Dg7 15.Lxf6 Txf6 16.Sxf6 Dxh6 17.Dh5
konnte Weiß die Mehrqualität+2 Bauern sicher zum Sieg führen.

Lehrreiche Niederlagen gab es an diesem Tag an den Brettern 1 und 3. Marius hatte eine typische Spanische Partie auf dem Brett

Weis,Olga (1738) – Hurm,Marius (1650)

nach 12.Sc4

nach 12.Sc4

Normal und gut wäre 12…cxd4 13.cxd4 Dc7 mit Chancen auf beiden Seite. Marius wählte
12…exd4, was streng genommen noch kein wirklicher Fehler ist. Allerdings geht danach das Zentrum auf und die weißen Läufer kommen zur Geltung. Nach 13.cxd4 hätte nun dieser unterstützende Zentrumsbauer beseitigt werden müssen.
13…b5?! 14.Se3 c4?! führt dagegen zur einer vielleicht nicht verlorenen, aber extrem schwierigen Stellung. Einen kleinen Fehler von Olga Weis nutzte Marius nicht aus und wurde am Ende Matt gesetzt.

Arian dagegen stand trotz schlechtem Eröffnungsverlaufes nach zwei Fehlern seines Gegners klar besser

Jurga,Jonas Vincent (1521) – Heller,Arian (1230)

nach 12.Dd2

nach 12.Dd2

Ich persönlich habe selten so starke Läufer gesehen. Am besten wäre nun 12…0-0 und tatsächlich muss Schwarz im folgenden nicht einmal wirklich die Königsstellung angreifen. Die Läufer beherrschen schlicht das Brett. Arian dagegen versuchte es direkt:
12…h6
Der Zug ist gegen Dg5 gerichtet, was nach sofortigem Dc6 das Matt abwehren würde. Nun aber war sein Gegner auf der Höhe
13.Df4 Matt erkannt, Mattgefahr gebannt. Immernoch wäre nun die Rochade gut gewesen, nach 13…g5? 14.Dg3 Dc4? jedoch hatte Schwarz keine Drohungen mehr bei einer gleichzeitig aufgerissenen Königsstellung und verlor wenig später die Qualität. Danach konnten auch die starken Läufer die Partie nicht wenden.

Nun musste Noahs Partie die Entscheidung bringen. Er hatte geduldig seine Figuren in Stellung gebracht, zwar nicht immer den besten Zug erwischt aber immer den Druck oben gehalten. Im entscheidenden Moment war die schwarze Stellung dann reif zum Ernten:

Maurer,Noah (1660) – Bossert,Felix (1457)

nach 22...Dd7

nach 22…Dd7

23.e5! dxe5 24.Dxe5
Die Doppeldrohung Se6+ und Dxc5 ist zu viel für Schwarz. Nach
24…Kg8 25.Se6 Tc8 muss Weiß allerdings noch einmal aufpassen. Spielt er jetzt voreilig 26.Sxc5, so bringt ihn 26…Db5 ein wenig in die Bredouille. Noah wählte
26.g4 Tc6 27.Sxc5 und nachdem sich wenig später auch der schwarze Springer opferte, war die Partie entschieden – auch wenn Noah am Schluss kurioserweise ein Matt in 1 übersah. Matt in zwei war aber auch ausreichend.

Währenddessen in der U 16… Nils hatte gegen Kevin Walter ausgangs der Eröffnung folgende Stellung bekommen

Müller,Nils (1765) – Walter,Kevin (2013)

nach 24.Sb4

nach 24.Sb4

Läuferpaar und gegnerischer Isolani sichern Schwarz ein wenig Vorteil. Nach dem folgenden Zug kann davon aber keine Rede mehr sein
24…Tac8?? 25.Txc8 Txc8 26.Lxf6 exf6 27.Sxd5 mit Figurengewinn. Im folgenden neutralisierte Nils fast alle gegnerischen Figuren und landete im Endspiel:

nach 66...Td6

nach 66…Td6

Der Gewinnplan (der im vorherigen Partieverlauf auch mehrere Male möglich war) wäre, den König nach g6 zu führen. Nils dagegen spielte
67.Tb6? Txd5 68.Txg6 und obwohl er sich später auch den h-Bauern holte, ist diese Endspiel mit f und h-Bauern leider Remis, was Kevin Walter in den folgenden Zügen bis zum 95.(!) Zug auch bewies.

In der Schlussrunde mussten die Königskinder unbedingt gewinnen für die Qualifikation zur Deutschen. Nach einer schnellen Niederlage von Martin fehlten also noch 2,5 Punkte aus drei Partien… Marius erfüllte seinen Soll mit einem Schwarzremis gegen eine starke Gegnerin, aber am Ende war sogar mehr drinnen

Wiesner,Paula (1858) – Hurm,Marius (1650)

nach 24.Ld2

nach 24.Ld2

Hier ergriff Marius die Chance zum Remis. Nach
24…Db8 erfolgte alsbald ein Generalabtausch und das Remis war perfekt. Stadtdessen hätte 24…Dxc3 25.Txe8 Kf7 26.Lxc3 Kxe8 27.Kf1 Ld1 Weiß gehörig in die Bredouille gebracht, da der c4 verloren geht. Auch wenn die Stellung danach wegen den ungleichfarbigen Läufern wohl immernoch Remis gewesen wäre – man hätte Weiß eine Weile quälen und so auch Druck auf die Karlsruher aufrechterhalten können. So war der Weg frei für das Remis an Brett 3, dass sich schon seit längerem abgezeichnet hatte. Hier war nach der Eröffnung eine zähe Stellung entstanden, aber an einer Stelle hätte Arian sich tatsächlich Vorteil sichern können:

Kokshenyev,Michael (1102) – Heller,Arian (1230)

nach 23.g4

nach 23.g4

Nach 23…Tf7 24.Lf3 entstand eine komplett verrammelte Stellung. Dem hätte Arian hier mit 23…f3 24.Lh1 h5! einen Riegel vorschieben können. Davon abgesehen ist der Zug sogar gut – Schwarz steht einfach auf Gewinn. Daran würde auch 24.Lf1 nichts ändern, die weiße Königsstellung ist reif zum Sturm.

Noahs Sieg konnte damit leider nichts mehr an der verpassten Qualifikation hindern. Trotzdem zeigt ein Blick auf die Tabelle und auf die hier vorgestellten Partien, dass sich die Königskinder alles andere als schlecht verkauft hatten.
Lösung von oben: Die beste Art, den Turm abzusichern, ist Da4, was den a-Bauern am Vorrücken hindert. Eine schöne Idee von Fritz.

4 Kommentare

  1. Eine spannende Lektüre – so dürfte von mir aus gerne jeder Turnierbericht aussehen, aber es macht natürlich viel Arbeit.
    Ein paar Mini-Korrekturen:
    a) In Kasüschke – Hurm hat Weiß zunächst zu allem Überfluss einen Bauern mehr, Schwarz gewinnt diesen mit der besagten Abwicklung lediglich zurück. Besser steht er natürlich trotzdem.
    b) In Maurer – Bossert ist 24…Kg6 kein legaler Zug, vermutlich ging er nach g8.
    c) In Müller – Walter kann 26…gxf6 auch nicht sein, vermutlich schlug der Läufer.

  2. Martin Schmidt

    Danke. Insgesamt (inklusive dem Artikel auf unserer Website) wohl 6 Stunden – wovon allerdings auch 1 Stunde draufging, um die korrekten HTML-Befehle für die Formatierung der Bilderpositionierung zu finden.
    Der Läufer schlug in der Partie tatsächlich nicht – aber der e-Bauer.

  3. > Ich persönlich habe selten so starke Läufer gesehen.

    Hier ein paar Beispiele, die die Stärke des Läuferpaars demonstrieren, allesamt auch jeweils von Schwarz:

    Rotlewi – Rubinstein, Lodz 1907
    http://www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1119679

    R. Byrne – R. Fischer, New York 1963
    http://www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1008419

    Kasparov – Kramnik, Dos Hermanas 1996
    http://www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1070865

    Aronian – Anand, Wijk aan Zee 2013
    http://www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1704763

    Viel Spaß beim Nachspielen, falls Dir eine der Partien noch unbekannt ist!

  4. Martin Schmidt

    Kasparov – Kramnik war mir unbekannt, wobei ich die Eröffnungszüge auch in der Partie Baramidze-Braun (irgendeine deutsche Meisterschaft) gesehen habe, wenn ich mich nicht irre

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